Ich sehe den Menschen als tragikomisches Wesen – auch mich selbst

Seine Arbeit hat für ihn immer noch etwas Magisches: Der Regisseur und Drehbuchautor Jan-Eric Mack wurde mit dem Prix Netzhdk ausgezeichnet. Foto: Marko Mijatović

Zwischen Rosa Wilder, Netflix und den Oscars: Die Arbeit des Regisseurs und Drehbuchautors Jan-Eric Mack zeigt sich facettenreich. Nun wurde der ZHdK-Alumnus für sein Schaffen mit dem Prix Netzhdk 2022 ausgezeichnet. Ein Close-up.

VON GIANNA BÄRTSCH
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«Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin aus allen Wolken gefallen», sagt Prix-Netzhdk-Gewinner Jan-Eric Mack. Dabei hat der Regisseur und Drehbuchautor bereits einige preisgekrönte Kurzfilme gedreht, die weltweit an über hundert Festivals gezeigt wurden. Sein Masterfilm „Facing Mecca“ läuft zudem auf Netflix; 2017 gewann er damit einen Student Academy Award, ein Jahr darauf schaffte er es in der Kategorie «Live Action Shorts» auf die Shortlist der 90. Oscars und wurde mit dem Schweizer Filmpreis geehrt. «Ich finde es immer ein Privileg und eine Wertschätzung, eine Auszeichnung zu bekommen», erklärt Mack und fügt an: «Die Verleihung des Prix Netzhdk freut mich besonders, da die Jurymitglieder aus verschiedenen Disziplinen kommen und der Fokus auf der künstlerischen Arbeit liegt.» Auszeichnungen bedeuten auch finanzielle Unterstützung für den Aufwand und die Energie, die investiert werden, und entpuppen sich nicht selten als Türöffner für künftige Projekte. So auch bei Mack: 2018 drehte er als Co-Regisseur die zweite Staffel der erfolgreichen SRF-Krimiserie «Wilder», 2020 übernahm er die Regie der dritten Staffel.

Zwischen Absurdität und bitterer Realität

Während der Dreharbeiten für «Wilder» arbeitete Jan-Eric Mack auch an der Tragikomödie «Zivilisten», die in Co-Autor:innenschaft entsteht. Ein Spielfilm über einen Langzeitarbeitssuchenden, der als Statist in einer Kriegssimulation der Nato mitwirkt. Er wird vom Amt ans Set beordert, ansonsten erhalte er keine weitere finanzielle Unterstützung mehr. Eine Geschichte, die absurd-groteske Züge annimmt und die Frage in den Raum stellt: «Wie und aufgrund welcher soziologischer Konstellationen gerät ein Mensch in solche Situationen?» Dann der grosse Schock, als aus dem fiktiven Szenario bittere Realität wird: «Wir haben von einem Erstangriff auf ein ukrainisches Dorf geschrieben, dann hat uns die Geschichte eingeholt, als Russland im Februar 2022 tatsächlich die Ukraine angegriffen hat.» Lange sei nicht klar gewesen, ob das Drehbuch überhaupt noch verfilmt werden könne, letztlich hätten sie sich aber dafür entschieden und Szenen umgeschrieben. Nun liegt die vierte Version des Drehbuchs auf dem Tisch, die Verfilmung startet frühestens im Herbst.
Derzeit ist der Regisseur bis Mitte März mit den Dreharbeiten der sechsteiligen SRF-Serie „Davos“ beschäftigt, einer historischen Spionagegeschichte, die sich zur Zeit des Ersten Weltkrieges abspielt. Realisiert wird sie als schweizerisch-deutsche Koproduktion von Contrast Film und Letterbox Filmproduktion, dem Schweizer Radio und Fernsehen SRF und der ARD Degeto. Die Regie hat Mack gemeinsam mit Anca Miruna Lăzărescu übernommen und sie pendeln dafür zwischen den Schauplätzen Graubünden, Südtirol und Hamburg. Bis Oktober soll die Postproduktion abgeschlossen sein.

Eine visuelle Form finden

Doch was führte Mack eigentlich in die Filmbranche? Seine Passion gilt seit jeher dem Visuellen. Zuerst machte er eine Grafiklehre und arbeitete mehrere Jahre in einer Agentur. Mit 26 Jahren stand er vor der Entscheidung: Grafikatelier übernehmen oder Tabula rasa? Er entschied sich für den Neubeginn und schrieb sich fürs Filmstudium an der ZHdK ein. «Ich habe mich schon immer für Film interessiert, habe viele Klassiker geschaut und war im Jungen Theater.» An der ZHdK hat ihn das Filmfieber dann endgültig gepackt: «Ich habe wahrscheinlich am meisten Kurzfilme im Jahrgang gedreht – ich konnte nicht mehr aufhören.» Mack empfand es als Privileg, ohne finanziellen Druck einfach ausprobieren zu können. Im Master hat er dann den Umzug ins Toni-Areal erlebt, und plötzlich war ein direkter Austausch mit anderen Disziplinen möglich. «Ich habe mit Szenenbildner:innen, Ton- und Musikprofis oder Tänzer:innen zusammengearbeitet – das war extrem wichtig», ist Mack überzeugt.

Der Prismamoment am Set

Für ihn eröffne das Filmemachen die Möglichkeit, über ein Thema in seiner gesamten Komplexität nachzudenken und es aufzuarbeiten. In diesem Prozess verspüre er den Drang, alles über eine bestimmte Sache herausfinden zu wollen. «Wenn mich etwas nicht loslässt, muss ich dem nachgehen. Ich bin ein absoluter Drangmensch.» Dabei fasziniere ihn der Mensch mit all seinen Wünschen, Träumen, Unfähigkeiten, Fehlern, Abgründen, und er ergänzt: «Ich sehe den Menschen als tragikomisches Wesen – auch mich selbst.» Für ihn sei das ein Zugang zur Welt, um zu verstehen und nichts allzu ernst zu nehmen, denn bei aller Tragik gebe es auch immer sehr viel Komisches.
So richtig spannend werde es am Set, wenn alles zusammenkomme: «Als Regisseur muss ich eine Kombination aus Durchlässigkeit und Im-Moment-Sein finden, damit ich nichts verpasse. Gleichzeitig denke ich bereits an den Schnitt. Das ist mit hoher Konzentration und grossem Druck verbunden. Doch wenn man zuschauen kann, wie alles zusammenspielt, Bewegung in die Gedankenbilder kommt und die Figuren real werden, dann ist das schon magisch.»

Der Prix Netzhdk wird einmal jährlich durch Netzhdk, die Alumni-Organisation der ZHdK, vergeben. Der Förderpreis richtet sich an Abgänger:innen von Bachelor- und Masterstudiengängen der ZHdK und ist mit 10’000 Franken dotiert. www.netzhdk.ch
Gianna Bärtsch ist freischaffende Texterin.
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