Die Zukunft inklusiv gestalten

Alle Schriften sind von FINTA*-Personen (Frauen, inter, nonbinary, trans und agender) gezeichnet worden. Die Auswahl zeigt Arbeiten aus Europa, Südamerika und dem Kaukasus. Zitat 1: Osram light by Selina Bernet. Zitat 2: CoFo Chimera Black by Maria Doreuli. Zitat 3: Gabriella Heavy by Fernanda Cozzi. Illustration: Mayar El Bakry

Im Theorieseminar des Bachelors Design lernen Visual-Communication-Studierende die Dimensionen von Identität kennen und was diese für ihre eigene Praxis bedeuten. Über die Verantwortung beim Gestalten, exklusives Design und einen grossen Wunsch.

VON TESSA APITZ
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Design prägt uns. Gestaltung hat grossen Einfluss darauf, wie wir Dinge wahrnehmen und unsere Eindrücke einordnen. Im Bachelor Visual Communication an der ZHdK werden aus Studierenden die Gestalter:innen von morgen. Als Designschaffende in der Werbung, in Grafikbüros oder als Künstler:innen bestimmen sie mit, wie wir in Zukunft die Welt «sehen». Hier setzt das Theorieseminar «Identität» in Visual Communication im Bachelor Design an. Die Lehrbeauftragten Mayar El Bakry im Departement Design und Sophie Vögele im Bereich Art Education des Departements Kulturanalysen und Vermittlung bringen den Studierenden die gesellschaftlichen Dimensionen von Identität näher. Sie schlagen Brücken zur Praxis, indem sie gängige Muster und Normen hinterfragen und auf die Verteilung von Privilegien und marginale Positionen blicken.

Die eigene Verantwortung kennen

«Design ist exklusiv, und das by design. Design kann niemals neutral sein, es steht immer im Verhältnis zum sozialen Wandel der Gesellschaft», so Mayar El Bakry. «Als Designer:in ist es deshalb wichtig, sich mit Identität auseinanderzusetzen», ergänzt Sophie Vögele. «Jede gestalterische Entscheidung kann politisch gesehen werden.» Die künftigen Gestalter:innen arbeiten sich durch Grundlagentexte und kritische Theorien zu Feminismus und postkolonialen Perspektiven. Sie besprechen Dimensionen wie Geschlecht, Race, Nationalität, soziale Herkunft oder Intersektionalität. Ziel ist es, die eigene Arbeit zu reflektieren und die eigene Rolle in Kampagnen, Produkten oder der eigenen Kunst zu erkennen und zu verstehen. «Es ist wichtig, mir die eigene Verantwortung dafür bewusst zu machen, wie ich etwas darstelle», so El Bakry. Wie mache ich beispielsweise Farbenblinden Design zugänglich? Für ihre Seminararbeiten haben die Teilnehmenden Themen erarbeitet, die in Anlehnung an die Diskussionen im Seminar ihre eigenen Interessen und Fragen aufnehmen. Eine Arbeit fragt, wie Adobe Cloud & Co. die Art und Weise, wie wir gestalten, beeinflussen, und thematisiert den sogenannten Unconscious Bias. Eine andere geht der Verankerung von Design in kapitalistischen Strukturen nach und setzt sich mit der Differenzierung von ethischer und unethischer Praxis auseinander.

«Welche Rolle spielen Geschlecht und soziale Herkunft für das Selbstverständnis einer Designerin und ihr Schaffen?», fragt eine weitere Arbeit. «Die Fragestellungen unseres Seminars öffnen den Blick für die eigene Identität», beobachtet Vögele. Die Frage: «Wie privilegiert bin ich und was bedeutet das für meine Praxis?», beschäftigt die Studierenden in ihren Arbeiten. Ein Teilnehmer stellt persönliche Überlegungen zur eigenen, als «cis-männlich» gelesenen Geschlechtsidentität an und nähert sich dem Konzept der Allyship aus feministischer Perspektive. Die Seminararbeiten werden am Ende in einem Booklet zusammengefasst.

Identitätsfragen in der Designausbildung

Das Seminar gibt den Studierenden Tools an die Hand, um antidiskriminierendes, antirassistisches und antisexistisches Design zu schaffen. Sie lernen, empathischer und inklusiver zu gestalten und zu erkennen, was sie mit ihrer Ästhetik bewirken können. «Unser Verständnis von Design bezieht sich seit Langem auf das Bauhaus und damit auch auf diese Denkrichtung. Das ändert sich aber, unsere Gesellschaft wird immer inklusiver», so El Bakry. Die gemeinsame Vision des Duos: «[…] dass gesellschaftliche Dimensionen von Identität als Thema nachhaltig Fuss fassen in der Designausbildung. Der gesellschaftliche Diskurs ist sehr lebendig, hier sollte eine Brücke von der Lehre zur realen Welt geschlagen werden.»

Mayar El Bakry (mayar.elhayawan@zhdk.ch) ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Master Design, Fachrichtung Visual Communication, und Lehrbeauftragte im Departement Design. Sophie Vögele (sophie.voegele@zhdk.ch) ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschung im Bereich Art Education des Departements Kulturanalysen und Vermittlung sowie Lehrbeauftragte im Departement Kulturanalysen und Vermittlung sowie im Departement Design.
Tessa Apitz (post@tessa-apitz.de) schreibt freiberuflich Texte, Konzepte und Kommunikationsstrategien in Berlin.
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