
Florence Balthasar (links) leitet die Geschäftsstelle Internationales und Alessia Giezendanner betreut als Incoming Exchange Coordinator auch das ZHdK-Programm «Zugang für Geflüchtete». Foto: Regula Bearth © ZHdK
Seit März 2022 nimmt die ZHdK geflüchtete Studierende aus der Ukraine als Schnupper- oder Gaststudierende auf. In der Krisensituation konnte das Dossier Internationales auf bestehende Programme und Netzwerke zurückgreifen, sodass schnelles Handeln in dieser neuen Realität möglich war. Florence Balthasar und Alessia Giezendanner berichten über Herausforderungen, Freudenmomente und die Notwendigkeit der Netzwerkarbeit.
VON SYLVIA BATTEGAY
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Florence Balthasar, Leiterin der Geschäftsstelle Internationales, war gerade in den Skiferien, als russische Truppen in die Ukraine einmarschierten. Ihr sei augenblicklich klar gewesen, dass Handlungsbedarf seitens aller Hochschulen in Europa bestehen würde. In den folgenden Tagen verurteilte der Rektor der ZHdK Thomas D. Meier im Namen der Hochschulleitung den Einmarsch, die Geschäftsstelle Internationales kontaktierte ZHdK-Studierende aus der Ukraine und aus Russland. Innerhalb weniger Tage erreichten die ZHdK zahlreiche Fragen in Bezug auf finanzielle und psychologische Unterstützung. Schnell wurde deutlich, dass die Unterstützung sich nicht nur auf Studierende in Zürich begrenzen wird. «Wir waren auf einen Schlag in einer komplett neuen Realität. Wir mussten schnell handeln und das möglichst zielgerichtet und effizient», erläutert Alessia Giezendanner, die als Incoming Exchange Coordinator auch das ZHdK-Programm «Zugang für Geflüchtete» betreut.
Ein kleines, essenzielles Zahnrad
Die Unterstützung seitens der Departemente, Dozierenden und Studierenden war enorm. «In solch einer Situation ist die grösste Herausforderung, schnell zu agieren und Prozesse zu definieren, obwohl es so viele Unsicherheiten gibt. Zum ersten Mal wurde der Status S aktiviert. Damit stellten sich für uns Fragen wie: Was bedeutet das? Worauf haben die Menschen Anspruch? Wird alles funktionieren?» Die Hochschulleitung fasste rasch Beschlüsse im Bereich Unterstützungsmassnahmen, um so schnell wie möglich eine Handlungsbasis zu gewährleisten.
In dieser Ausnahmesituation sei es auch hilfreich gewesen, auf zwei bestehende Angebote zurückgreifen zu können: Seit 2017 ist an der ZHdK das Programm «Zugang für geflüchtete Menschen» verankert, um geflüchteten Kunststudierenden mittels Hospitanzen und Schnuppersemestern den Zugang zur Hochschule zu erleichtern. Zusätzlich ist die ZHdK seit 2020 Teil des internationalen Netzwerks Scholars at Risk, das sich für den Schutz bedrohter Forschender und für die akademische Freiheit auf der ganzen Welt einsetzt.
Weit über hundert Anfragen für ein Gaststudium an der ZHdK gingen in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn ein. Alessia Giezendanner sammelte die Dossiers und leitete sie an die einzelnen Departemente weiter. Diese führten Gespräche, ermittelten geeignete Anbindungen und nahmen während des gesamten Semesters laufend Studierende auf – ein enormer Aufwand für alle Beteiligten. Giezendanner ergänzt: «Es war nicht einfach, den richtigen Weg zu finden. Für mich persönlich war die Erkenntnis, dass wir nur ein kleines Zahnrad in einem sehr grossen, komplexen System sind, am schwierigsten. Als ich allerdings die ersten beiden Zusagen für ein Gastsemester verschicken konnte, war das ein Freudenmoment.»
Netzwerkarbeit im internationalen Kontext
Die Herausforderung im Umgang mit den Folgen des Ukraine-Krieges bestätigt, wie wichtig Netzwerkarbeit ist, sei es mit anderen Hochschulen oder mit Organisationen wie Scholars at Risk. Wichtig sei bei der Netzwerkarbeit allerdings das Verständnis, dass diese nicht immer einen unmittelbaren Zweck erfülle: «Netzwerke wirken längerfristig. Sie bringen Qualität, öffnen Türen. Wenn wir behaupten, eine internationale Hochschule zu sein, dann müssen wir unbedingt international vernetzt sein», betont Balthasar. Der globale und transkulturelle Austausch sei wichtiger denn je und die ZHdK Teil internationaler Netzwerke, darunter die European League of Institutes of the Art (ELIA), die International Association of Universities and Colleges of Art, Design and Media (CUMULUS) oder die International Association of Film and Television Schools (CILECT). Florence Balthasar ergänzt: «Eine wichtige Rolle spielen auch Netzwerke wie Shared Campus, eine Kooperationsplattform, an der sieben internationale Kunstinstitutionen, darunter die ZHdK, beteiligt sind.» Shared Campus bietet internationale Ausbildungsformate, Forschungsnetzwerke und Co-Produktionen für Studierende, Dozierende und Forschende. In diesem Projekt sieht Balthasar auch die Verantwortung, die eine Kunsthochschule heutzutage trägt: «Als Hochschule bilden wir Menschen für den globalisierten Arbeitsmarkt aus. Daher ist es unsere Verantwortung, sie darauf vorzubereiten und zu sensibilisieren.»
Blicken die beide nach vorne, sind sie sich einig: «Aufgrund des Ukraine-Krieges gelangt das Thema geflüchtete Menschen an Schweizer Hochschulen in den öffentlichen Fokus. Dies ermöglicht, den Zugang zu verbessern und hoffentlich weiter auszubauen.»