Studierendenporträt Line Chevalley
Line Chevalley studiert im Master Fine Arts und hat mit dem internationalen Studierendenprogramm «Transcultural Collaboration» ein Semester in Athen verbracht. In ihrer Kunst sucht sie immer wieder den Moment der Gegensätzlichkeit.
VON EVA VÖGTLI
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Eva Vögtli: Wie hat das Studium deine künstlerische Praxis bisher geprägt?
Line Chevalley: Im Gespräch mit Dozierenden erhielt ich den entscheidenden Ratschlag, präzise Entscheidungen zu treffen. Ich vertiefte mich in Readymades, bei denen die Präzision der Titelwahl eine zentrale Rolle spielt. Ein präziser Schaffensprozess verleiht dem Werk Eigenständigkeit.
Woran arbeitest du zurzeit?
Meine Praxis ist eine Assemblage aus vielen verschiedenen Techniken wie Zeichnen, analoger Fotografie, Skulptur und Text. Momentan beschäftige ich mich mit meinen Texten und ihrer Form im Raum. Ich denke über das Vorlesen nach und wie ich mit dem Einsatz meiner Stimme eine zusätzliche Ebene eröffnen kann. Die Sprache im Alltag interessiert mich generell sehr, auch gegensätzlich wirkende Oxymora. Mich reizt das Dazwischen, dieses subtile Moment der Gegensätzlichkeit.
Von September bis Mitte Dezember 2021 warst du mit «Transcultural Collaboration», einem internationalen Semesterprogramm für Masterstudierende, in Athen.
Genau, dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit verschiedener Universitäten in Europa und Asien. In diesem Jahr beschäftigten wir uns mit dem Thema «Kontamination/Zuneigung» und lernten die Urbanisierung in Athen und die damit verbundenen Probleme kennen. Wir haben die Stadtviertel erkundet und uns mit Architektur, jüngerer Geschichte und Migration beschäftigt. Die Arbeit in einer interdisziplinären Gruppe fordert gegenseitiges Zuhören, aber auch das Vertreten eigener Ideen.
Brauchen wir Kunst? Und wenn ja, wieso?
Ja, weil sie mehr Fragen als Antworten bereithält. Kunst, in welcher Disziplin auch immer, vermag uns zu berühren und zu beleben. Eine emotionale Reaktion auf ein Werk ist bereits ein Erfolg. Kunst weckt Empfindungen und verbindet uns mit unseren im Alltag oft unterdrückten Gefühlen.
Welches war bis jetzt deine beste Entscheidung?
Nicht aufzugeben. Während meines Bachelors in Lausanne fragte ich mich zeitweise, wohin mich das Ganze führen soll. Dann kam ich nach Zürich, wo ich anfangs niemanden kannte. Ich stand für mich selbst ein und habe weiter Kunst gemacht, obwohl ich wusste, dass das Kunstfeld kein einfaches Pflaster ist. Sich darauf mit einer gewissen Offenheit zu bewegen, birgt jedoch unerwartete Möglichkeiten.