Fräsen, Bohren und Nähen lernen? Play!

Making-of-Moment vom Dreh eines Lernvideos für das digitale Lehrmittel «Design Studio». Foto: Andreas Kohli

Videos statt Lehrbücher: Ein Kooperationsprojekt des Bachelors Art Education übersetzt Lehrmittel für den gestalterischen Unterricht ins Medium der Generation Z. «Design Studio» umfasst 150 Videotutorials, an deren Entstehung über achtzig ZHdK-Angehörige unterschiedlicher Disziplinen beteiligt waren.

VON  MARTINA EGLI
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Eine Jugendliche sitzt an der Nähmaschine und näht einen Saum. Zwei Kameras sind auf sie gerichtet, der Raum ist mit Studiolicht ausgeleuchtet. Auf zwei Bildschirmen verfolgen eine Dozentin und ein Student das Geschehen. Diese Szene war Teil eines Projekts zur Neugestaltung des Unterrichts in Textilem und Technischem Gestalten. Keine Handbücher, keine Arbeitsblätter, kein Papier: «Design Studio» ist das erste ausschliesslich digitale Lehrmittel des Lehrmittelverlags Zürich (LMVZ), das in Kooperation mit dem Bachelor Art Education der ZHdK und der Pädagogischen Hochschule Luzern entstanden und 2021 veröffentlicht worden ist. Es ist für mobile Endgeräte konzipiert und umfasst zehn modular aufgebaute gestalterische Projekte sowie 150 Lernvideos.

Digital Schule machen?

Dem Pilotvorhaben im Bereich digitale Lehrmittel fehlte es anfangs weitgehend an Referenzprodukten. Es stellten sich grundsätzliche Fragen: Sind die Lehrpersonen bereit, die Benutzung mobiler Endgeräte während des Unterrichts zu erlauben? Müsste die Sichtbarkeit des Lehrmittels durch klassische Printmedien unterstützt werden? Von Beginn an standen diesen Unsicherheiten klare Chancen gegenüber. «Die Jugendlichen sind es gewohnt, sich via YouTube-Tutorials Know-how zu holen. Indem wir in der Schule Videotutorials anbieten, können wir gewährleisten, dass diese fachlich einwandfrei sind und inhaltlich präzise zur Arbeitsumgebung passen», sagt Andreas Kohli, Professor im Bachelor Art Education und im Projektteam zusammen mit Stefan Wettstein für die Planung und Umsetzung verantwortlich. «Zudem ist der Vertrieb zeitgemäss und einfach, das Lehrmittel kann von den Schüler:innen auch in der Freizeit genutzt werden.»

Zeitlose Inspiration

Mit ihrer mehrjährigen Projektdauer und über achtzig Beteiligten war die Erarbeitung von «Design Studio» von einer Komplexität, die eine rollende Planung forderte. «Die Produktion des Lehrmittels brachte Kompetenzen aus den Disziplinen Art Education, Design und Film zusammen – teils mit extra initiierten Projekten, teils im Rahmen von Unterrichtsmodulen», sagt Peter Truniger, Leiter Bachelor Art Education. Gemeinsam mit dem Kernteam aus Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden waren Studierende des Bachelors Art Education für die fachliche Vorbereitung, die Produktionsassistenz und vor allem die Darstellungen vor der Kamera verantwortlich. Studierende aus Cast und Film übernahmen Kamera, Licht und Postproduktion. In diesem interdisziplinären Setting wurden alle 150 Videotutorials in den ZHdK-eigenen Werkstätten gedreht. «Die Tutorials unterscheiden sich in ihrer bewussten Zurückhaltung betreffend Kleidung, Frisuren und Szenografie von gängigen YouTube-Formaten: Der Anspruch, die Tutorials für die kommenden 15 Jahre nützen zu können, bedingte ein zeitloses Design», so Kohli. Still und leise weist auch der Verzicht auf Hintergrundmusik auf den Unterrichtskontext hin.

Ob Hartlöten, 3D-Drucken, Sticken, Sägen, Schleifen oder Giessen – die Lernvideos decken die unterschiedlichsten Bereiche des textilen und technischen Gestaltens ab. «Die resultierende Vielfalt und die Qualität der Tutorials setzen neue Massstäbe in Bezug auf didaktisch sorgfältige Anregung zum autonomen Lernen», resümiert Stefan Wettstein. Im laufenden Schuljahr können sich Schüler:innen der Sekundarstufe erstmals per Klick in die Verfahren und Möglichkeiten vertiefen, die Näh- und andere Maschinen bieten. Als Bonus haben alle Studierenden und Mitarbeitenden der ZHdK freien Zugang zu den inhouse produzierten Videos. Die Werkstätten rufen!

«Design Studio» ist seit Herbst 2021 für die erste bis dritte Sekundarklasse in komplett digitaler Form erhältlich. Das Lehrmittel kann auch von Privatpersonen genutzt werden. ZHdK-Angehörigen sind die rund 150 Videotutorials des Lehrmittels zu Verfahren und zur Handhabung der Maschinen der ZHdK-Werkstätten via Medienarchiv frei zugänglich.
Martina Egli (martina.egli@zhdk.ch) ist Kommunikationsverantwortliche des Departements Kulturanalysen und Vermittlung der ZHdK.
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