
Ohne Kunstwerk: ein Sockel ausser Dienst in seiner natürlichen Umgebung. Foto: Regula Bearth © ZHdK
Lieblingsstück
VON CAROLINE SÜESS
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Es gibt eine wichtige und altgediente Instanz an der ZHdK: den Sockel. Er hat die Arbeiten von Generationen angehender Künstler:innen, Designer:innen und Vermittler:innen geprägt. Diese haben ein gespaltenes Verhältnis zu ihm. Einerseits fühlen sie sich von ihm angezogen, weil er ihre Werke adelt. Andererseits misstrauen sie ihm. Ein Werk auf einen Sockel zu stellen bedeutet, es loszulassen, das Ende eines vielleicht langen Schaffensprozesses zu besiegeln, das Eigene fremder Betrachtung auszusetzen. Dies beobachtet ein enger Vertrauter des Sockels, Stefan Kreysler. Als Mitarbeiter des Dossiers Veranstaltungen berät er unter anderem Studierende bei der Präsentation ihrer Werke. Er kennt ihren Lieblingssockel (30 mal 30 mal 80 Zentimeter, weiss), dessen Lebenserwartung (ein bis sieben Jahre) – und die Geheimnisse der Spezies. Etwa, dass ein Sockel unsichtbar wird, sobald etwas auf ihm steht. Wenn ihr Werk reif für einen Sockel ist, verlassen die Studierenden ihre Ateliers, Labs und Werkstätten und steigen hoch aufs grüne Dach des Toni-Areals, denn dort befindet sich das «Sockeldepot». Jährlich im Mai ist Hochsaison, dann laufen die Vorbereitungen für die Diplomausstellung. Zwischen Regalen voller Sockel aus mitteldichter Faserplatte, gefertigt in der Werkstatt des Museum für Gestaltung Zürich, fragen sich die Studierenden: «Was tut meinem Werk gut?» Stefan Kreysler begleitet sie bei ihrer Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Kunst und Design präsentiert. «Die Botschaft eines Sockels an die Betrachtenden ist: Wir befinden uns im Ausstellungskontext», sagt er. Das stürze gerade Kunstschaffende in ein Dilemma: «Sie befinden sich mit dem Werk im Ausstellungskontext, aber dieser Kontext bringt es mit sich, ihn in Frage zu stellen.» Und so kommt es vor, dass Studierende das «Sockeldepot» zwar ohne Sockel verlassen, aber ziemlich viel über das Ausstellen gelernt haben.
Detailliertes Programm: zhdk.ch/diplome