Hasta al_vista, Langstrasse!

Ausstellungen 24/7: Ein Werk von Künstlerin Leila Peacock, das darüber reflektiert, wie wir das Zeitliche verstehen. Foto: al_vista

Seit mittlerweile neun Monaten wird der Kunstraum al_vista im Zürcher Kreis 4 vom Kurationstrio Kim Anni Bassen, Lourenço Soares und Aramis Navarro bespielt. Im al_vista schaffen die Studierenden durch die Scheibe einen fliessenden Übergang zwischen Kunst und Langstrassenquartier.

VON LIVIA BERTA
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Beissender, abgestandener Alkoholgeruch steigt in die Nase. Er dringt aus der Tonne am Gehsteigrand. Überbleibsel der letzten Nacht? Von gegenüber dröhnt 90s-Pop durch die zum Lüften geöffneten Fenster der Thai-Karaoke-Bar. Die Beats mischen sich mit dem Klirren aneinanderschlagender Glasflaschen, die etwas weiter die Strasse runter weggeräumt werden. In dieses Setting ist der Kunstraum al_vista eingebettet: vis-à-vis dem Happy Beck, in Sichtweite des Lambada und neben dem Club Zukunft inmitten vielfältiger kultureller Verflechtungen.

Auseinandersetzung mit dem Quartier

al_vista ist ein von Studierenden kuratierter Ausstellungsraum des Departements Fine Arts. Seit Anfang 2020 wird der 7 Quadratmeter kleine Art Space im Langstrassenquartier von Kim Anni Bassen, die Curatorial Studies studiert, sowie den Fine-Arts-Studierenden Lourenço Soares und Aramis Navarro kuratiert. Die drei präsentieren im Schaufenster Kunst, die in Relation zur Lage des Ausstellungsraumes steht. «Wir sind interessiert an Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit den Themen des Quartiers auseinandersetzen: Gentrifizierung, Privatsphäre, Lebensbedingungen, Konsum, Kommerz, Nachtleben, um nur ein paar zu nennen», erklärt Kim.

«Frustriert» zu neuen Ansätzen

Für die drei Masterstudierenden ist die kuratorische Arbeit nicht nur ein Perspektivenwechsel, sondern auch eine Erweiterung ihrer künstlerischen Praxis. «Sie bietet Platz für Experimente. Wir können alles zur Verhandlung öffnen und Narrative konstruieren. Und manchmal wird’s auch frustrierend. Doch aus der Frustration heraus gelangen wir immer wieder zu neuen Lösungsansätzen», schildern Kim und Lourenço. Aramis schätzt auch den Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern, der seiner eigenen Praxis Auftrieb verleiht.

Der Lockdown hat bei al_vista nur minimal dazwischengefunkt. «Einige Vernissagen sind weggefallen. Wir sind aber in einer sehr privilegierten Situation. Die Ausstellungen sind 24/7 einsehbar, und so konnten wir regulär weiterfahren. Die Einschränkungen haben uns eher noch motiviert und bestärkt. Digitale Formate einzubinden, war schon vor Corona der Plan», meint Aramis. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Kunstschaffende Shows absagen mussten, fühle es sich gut an, den Raum nicht leer zu lassen.

Inspiration to go

Im Vorbeigehen einen Blick erhaschen, stehen bleiben und die Gedanken stimulieren lassen. Am Abend, mitten in der Nacht, frühmorgens oder wenn die Sonne im Zenit steht: Egal wann, der Blick durch die Glasscheibe von al_vista wird von Geräuschen, Gerüchen, Temperaturen und anderen Umgebungseinflüssen begleitet. Jeder Besuch ist anders und steht in Verbindung zum Schauplatz. So, wie die Kunst hinter der Scheibe.

KUNSTRAUM AL_VISTA
Dienerstrasse 33, Zürich
www.al-vista.ch

Livia Berta (livia.berta@zhdk.ch) studiert im Master Art Education Kulturpublizistik an der ZHdK.
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