
Daniel Späti beim Abschluss des Semesterprogramms «Transcultural Collaboration» 2015 in Hong Kong. Foto: Katja Gläss
«Internationale Kooperationen müssen langfristig angelegt sein», ist Daniel Späti überzeugt. Der Dozent und Forscher leitet die internationale Kooperationsplattform Shared Campus, an der sich die ZHdK zusammen mit sechs asiatischen und europäischen Kunsthochschulen beteiligt. Mit Themen von globaler Relevanz und Fokus auf transkultureller und interdisziplinärer Zusammenarbeit soll die Hochschullandschaft der Zukunft geprägt werden.
VON LEA DAHINDEN
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Lea Dahinden: Shared Campus ist eine neue Kooperationsplattform für internationale Bildungsformate, Forschungsnetzwerke und Koproduktionen. Worauf basiert die Idee?
Daniel Späti: Mit Shared Campus wollen wir die Interessen, Kompetenzen, Ressourcen und Infrastrukturen der Partner zusammenführen und gemeinsam nutzen, um nachhaltiges Wissen in global relevanten Themenfeldern aufzubauen und transkulturelle Perspektiven in der Lehre zu verankern. Internationale Vernetzung sowie grenz- und kulturübergreifende Zusammenarbeit sind unerlässlich für die künftige Arbeitswelt und damit auch für moderne Hochschulen. Es reicht nicht mehr, diese auf der Basis einzelner Kontakte aufzubauen, es braucht einen strategischen Ansatz.
An Shared Campus beteiligen sich sieben führende asiatische und europäische Kunsthochschulen. Wie erlebst du die Zusammenarbeit?
Mich beeindruckt immer wieder die Intensität der Zusammenarbeit. Prallen verschiedene Kulturen aufeinander, stellen sich grundlegende Fragen. Welche Werte vertreten wir? Sind wir bereit, uns auf andere Sichtweisen einzulassen? Wie gehen wir Aufgabenstellungen an? Eine vermeintlich einfache Frage, beispielsweise wieso mir etwas gefällt, wird plötzlich komplex. Studierende und Dozierende müssen sich erklären und ihre eigene Haltung infrage stellen. Daraus kann man sehr viel lernen.
Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Shared Campus verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Wir haben fünf elementare Themenfelder definiert: Social Transformation, Pop Cultures, Critical Ecologies, Cultures – Histories and Futures und Tools. In diesen Themenfeldern kommen Spezialistinnen und Experten aus allen künstlerischen und gestalterischen Disziplinen in Arbeitsgruppen zusammen. Sie sollen nachhaltige und langfristig angelegte Formate für die Lehre, Forschungsnetzwerke und Koproduktionen entwickeln. Der Innovationsbedarf ist gross, das sieht man an der Frage nach zeitgemässen Unterrichtsformen oder der Gewichtung ökologischer Kriterien in der internationalen Zusammenarbeit. Hier sind neue Standards gefragt.
Weshalb braucht es ein Projekt wie Shared Campus?
Eine isolierte Hochschule wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Es braucht Zusammenarbeit, bei der wir voneinander lernen und unterschiedliche Sichtweisen zusammenführen und diskutieren können. Die Digitalisierung der Lehre ist ein umfangreiches und langfristiges Unterfangen, das wir im Verbund mit anderen Hochschulen angehen müssen, damit Ressourcen und Kompetenzen sinnvoll eingesetzt und Synergien genutzt werden. Auch der Zugang zu Wissen ist ein zentrales Thema und ortsunabhängiges Studieren die Zukunft, denn Städte wie London, Hong Kong oder Zürich sind zunehmend überteuert.
Was ist für deine Arbeit entscheidend?
Ich versuche zu vermitteln, dass Shared Campus nur Sinn ergibt, wenn wir langfristig denken. Gerade im Aufbau sind internationale Kooperationsprojekte kosten- und zeitintensiv, da man sich neue Strukturen und gute Kontakte erarbeiten muss, das wird einem nicht geschenkt. Man muss die Zusammenarbeit über Jahre entwickeln und verbessern, damit man die gewünschte Qualität erhält. Die ZHdK hat sich mit dem koordinierten Vorgehen der letzten Jahre ein grosses Potenzial erarbeitet, das wir in den nächsten Jahren unbedingt ausschöpfen und mit anderen teilen sollten.
Wann wird es schwierig?
Schwierig sind oft universitäre Strukturen wie unterschiedliche Semesterdaten, Bewertungs- und Creditsysteme oder Hierarchiestrukturen. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede wie die Sprache, Denk-, Werte-, Moralsysteme, politische und ökonomische Verhältnisse, das Kunst- und Designverständnis, Lernmethoden, die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft … Es geht bei Shared Campus aber nicht primär um eine Harmonisierung, sondern eben gerade um das Wahrnehmen und Verstehen von Differenzen. In diesem Sinn sind Differenzen hilfreich, um das eigene System zu reflektieren und sich bewusst zu machen.

Gemeinsam für ein Ziel: die Vertreterinnen und Vertreter aller beteiligten Hochschulen an der Gründungskonferenz des Shared Campus im Dezember 2019 an der ZHdK. Foto: Daniel Späti
Verschlechtert ein Projekt wie Shared Campus die Ökobilanz der ZHdK?
Schon vor der Corona-Pandemie gab es bei uns Unterrichtsformate, die ausschliesslich online stattfanden. Eine digitale Lehr-, Lern-, Wissens- und Austauschplattform, die wir entlang unserer Aktivitäten und Themenfelder aufbauen, wird das Kernstück des Shared Campus. Reisen werden hoffentlich weiterhin möglich sein, denn sich physisch zu begegnen und in ein anderes Lebensumfeld einzutauchen, ist prägend. Wir müssen aber klar definieren, wann eine Reise ökologisch vertretbar ist. Ich denke da zum Beispiel an eine Mindestaufenthaltsdauer auf anderen Kontinenten.
Wie geht es mit Shared Campus weiter?
Die Gründungskonferenz war ein wichtiger Schritt, bei dem wir ein Zweijahresabkommen mit den beteiligten Hochschulen unterzeichnet haben. Nun haben wir bis 2021 Zeit, ein solides Fundament zu legen, indem wir Entwicklungslinien abstecken und Nachhaltigkeitsziele definieren. Wir bauen Co-Teaching-Module auf, bereiten uns auf Summer Schools, Symposien und Forschungsnetzwerke vor und entwickeln eine digitale Plattform sowie ein neuartiges Forschungstool und Publikationsformate. Weiter werden mit den Partnerinstitutionen gemeinsame Unterrichtsformate sondiert, die unter anderem in das Major-Minor-Modell integriert werden sollen. Bereits haben wir Anfragen von acht weiteren Kunsthochschulen, die sich am Projekt beteiligen möchten. Da sind spannende Hochschulen dabei, die unsere Idee verstehen und deren Potenzial sehen. Wir möchten allerdings nicht zu schnell wachsen, sondern Schritt für Schritt und gezielt zusätzliche Partner integrieren.