Die Ausstellung «Énergie animale» zeigt Design rund um das Tier in überraschenden Inszenierungen und Fragestellungen.
VON SABINE FLASCHBERGER
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«Énergie animale» beleuchtet ausgehend vom Bild der Arche das Tier als Nahrungsquelle, in der Mode und im Wohnbereich. Die Ausstellung folgt den Rollen, die Tieren zuteil werden, und schlägt den Bogen zu deren Erforschung bis hin zu ihrer kultischen Anbetung anhand von handwerklichen Artefakten, sprechenden Industrieprodukten, Grafiken, Fotos und Filmausschnitten. Über die Objektwelten nähert sich die Ausstellung aktuellen Themen wie dem Artenschwund, der ethischen Produktion und dem Veganismus an. Präparate einheimischer Tiere bevölkern als Geisterwesen die Arche namens Énergie animale. Soll der Wolf geschossen werden? Gehören Bienen in die Stadt? Eindringliche Tierschutzplakate von Kazumasa Nagai rücken die Fragilität der Natur ins Bild, während miniaturisierte Welten mit hölzernen Vitali-Tieren und Tieren aus dem Steiff-Sortiment zu Entdeckungen einladen.
Nutztiere, wohin das Auge blickt!
Lebensmittel nicht veganen Ursprungs sind Diskussionsthema an fast jedem Esstisch. Zahllose Objekte im Kontext von Fleisch, Fisch, Eiern und Milch illustrieren unsere enge Verquickung mit diesen tierischen Ressourcen. Künstlerische Arbeiten öffnen den Diskurs, wenn filigrane Scherenschnitte die «heile» bäuerische Welt beschwören oder Fischli/Weiss dem Cervelat ein tönernes Denkmal setzen und ihn zugleich als Leitfossil der Vergangenheit zuweisen. Trotz Tierleiddebatte und der Suche nach veganen Alternativen liegt auch eine Mode ohne Kaschmir, Seide, Leder & Co. noch in weiter Ferne. Haute-Couture-Modelle von Balenciaga und Dior zelebrieren die Schönheit edler Naturmaterialien, die Produktionsbedingungen hingegen trüben oft die Freude …
Sorry, das ist der Platz von Pascha!
Als Dekor und dreidimensionale Figuren entfalten Tiere im Wohnraum ihre Wirkung. Der Jugendstil bannt die Fauna idealisiert auf Vasen und Textilien, die nun mit Christoph Heftis kafkaeskem Riesenkäfer in Dialog treten. Nutztiere bevölkern Ernst Ludwig Kirchners Chaiselonguedecke und sind ebenfalls Teil des Alpaufzugs auf dem bemalten Bauernbett. Die Schaukelschnecke bleibt fürs Kind reserviert – auf gleicher Höhe mit den Haustieren, die uns hier als Modehunde aus Porzellan begegnen. Einst züchtete man sie als Arbeitsrassen: den Pudel für die Jagd, die Bulldogge zu Diensten des Metzgers. Heute boomt der Verkauf von Komfortobjekten für Haustiere, und vegane Leckerli und solche für laktoseintolerante Vierbeiner vollziehen die menschlichen Trends im Tier nach. Geschätzte tierische Eigenheiten wie Treue und Spielfreude werden auf Werbeplakaten für allerlei Produkte aufgenommen.
Einfach bezaubernd, diese Tiere!
Der Forschergeist bildet die Tierwelt in grafischen Blättern naturgetreu ab. Dennoch zwingt etwa der deutsche Zoologe Ernst Haeckel wissenschaftlich präzise Weichtiere in symmetrische Kompositionen, und auch jeder Insektenkasten zeugt vom ordnenden Willen des Sammlers. Die Designerin Cornelia Hesse-Honegger setzt die reichen Details der Natur in dekorative Stoffmuster um, Akihiro Higuchi veredelt Käferpräparate mit kunstvoller Malerei. Fantastische Mischwesen wie Einhörner und Sirenen erklären sich aus der respektbedingten Distanz zum Tier. Die Inspiration durch tierische Qualitäten wie Stärke und Schnelligkeit manifestiert sich in Höhlenmalereien oder etwa den japanischen Netsuke-Kleinstskulpturen. Die gezeigten Objekte stammen aus den Sammlungen des Museum für Gestaltung Zürich und werden durch hochkarätige Leihgaben aus Museen sowie einige künstlerische Positionen ergänzt. Kooperationen mit dem Bachelor Design und der Fachrichtung Trends & Identity der ZHdK erkunden die Nachhaltigkeit tierischer Materialien sowie die Mensch-Haustier-Beziehung als sozioökonomische Phänomene des Wandels. Eine spezielle Kinderspur bietet jungen Tierfreunden spannende Einblicke. Die Ausstellung wird ergänzt durch ein reiches Vermittlungsprogramm.
Vernissage: 13. Februar 2020, 19 Uhr
Ausstellung: 14. Februar bis 7. Juni 2020
Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr
Museum für Gestaltung Zürich, Ausstellungsstrasse 60, Zürich
www.museum-gestaltung.ch