Faserzement – zu einer Schleife verbunden

Strandstuhl, Willy Guhl, 1954, Eternit AG, Museum für Gestaltung Zürich, Designsammlung. Foto: Franz Xaver Jaggy, Museum für Gestaltung Zürich.

Lieblingsstück

VON RENATE MENZI
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In den 1950er-Jahren wurden nicht nur die Produktformen, sondern auch der Übergang von Zweckform zu freier Form fliessend. Die «Schönheit als Funktion», wie sie Max Bill vertrat, wurde zur Gestaltungsaufgabe. Als «harmonische Organisation des Ganzen» sollte die Form nun Konstruktion, Material und Zweck nicht nur entsprechen, sondern auch Ausdruck verleihen. Inwieweit sich eine Gebrauchsform von ihrer herkömmlichen Gestalt emanzipieren und zur Skulptur werden kann, wurde heftig diskutiert. Sie durfte weder gesucht noch stilisiert anmuten, sondern musste so selbstverständlich wirken, als wäre sie gewachsen. Mit der zu einer Endlosschleife verbundenen Eternitmatte schuf Willy Guhl 1954 eine Designikone aus Faserzement. Einfach, elegant und unzerstörbar zierte der Strandstuhl Swimmingpools und Firmensitze; auf der Documenta 2 wurde er mit einer Skulpturengruppe Picassos kombiniert.

Als Gründer der Fachklasse für Innenausbau und Produktgestaltung an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute ZHdK) hat sich Guhl stets für neue Materialien und industrielle Verfahren interessiert. Über das Experimentieren mit Holz, Gips und Kunststoff sowie in ergonomischen Studien zum idealen Sitzprofil entwickelte er seine Stühle immer weiter. Dem Guhls Entwurfs- und Vermittlungsprozess eigenen «Denken mit den Händen» soll nun in einem vom Schweizerischen Nationalfonds SNF geförderten Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Partnern nähergekommen werden. Zu diesem Zweck werden erste Skizzen des Strandstuhls, Fotos von Prototypen, Modelle, Produktionsformen, Pläne sowie Guhls Vorträge und Reisefotos als Dokumente seiner Designphilosophie untersucht und in einer Ausstellung einem breiten Publikum zugänglich gemacht.

Holzform zum Strandstuhl von Willy Guhl, 1954, Eternit AG, Museum für Gestaltung Zürich, Designsammlung. Foto: Franz Xaver Jaggy, Umberto Romito, Museum für Gestaltung Zürich

In dieser Rubrik stellen ZHdK-Angehörige besondere Dinge aus dem Alltag an einer Kunsthochschule vor. Weitere Lieblingsstücke finden sich auf: zett.zhdk.ch/lieblingsstueck
Renate Menzi (renate.menzi@zhdk.ch) ist Kuratorin der Designsammlung des Museum für Gestaltung Zürich und leitet das ZHdK-Forschungsprojekt «Denken mit den Händen – Willy Guhls Entwurfspraxis als angewandte Designforschung». Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation des Museum für Gestaltung Zürich mit der Professur Ästhetik am Departement Kulturanalysen und Vermittlung.
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