
Materialien, Muster und Meinungen: Studierende besprechen sich am Weiterbildungskurs «Interior Design Development Programme». Foto: ZHdK
Zeig mir, wie du wohnst, und ich sag dir, wer du bist. Für viele Schweizerinnen und Schweizer ist der Wohnstil Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Die Nachfrage nach schönem, nachhaltigem und funktionalem Wohnen ruft neue Fachkräfte auf den Markt. An der ZHdK startet im Herbstsemester 2020 das Weiterbildungsangebot «Atmospheric Design». Damit erhoffen sich die Beteiligten neue Impulse für die Möbelbranche, die vor vielen Herausforderungen steht.
VON LEA DAHINDEN
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Haben Sie einen Lieblingsraum? Und wenn ja, wissen Sie eigentlich, warum Ihnen dieser Raum so gefällt? Würden Sie gar sagen, es herrsche dort eine besondere Atmosphäre? Falls ja, hat jemand gute Arbeit geleistet. Denn die Atmosphäre ist nicht einfach da, sie wird bewusst gestaltet. Möbelhäuser präsentieren Wohnwelten, die Besucherinnen und Besucher mit einem positiven Gefühl verlassen sollen. Im besten Fall wollen sie diese Welt gleich mit zu sich nach Hause nehmen. Die Einrichtungshäuser haben damit etwas Wichtiges erkannt: Die Menschen sehnen sich nach Geschichten und Stimmungen. Doch kommt diese Erkenntnis nicht etwas spät? «Es ist kein Geheimnis, dass sich die Möbelbranche in einem Wandel befindet», erklärt Michael Krohn, Programmverantwortlicher des Weiterbildungsangebots «Atmospheric Design» an der ZHdK. Wer überleben wolle, müsse mehr in Dienstleistungen als in Produkte investieren, denn: «Wer einfach nur ein Sofa verkaufen will, hat nicht viel verstanden.»
Möbelhaus trifft Kunsthochschule
Bereits 2018 lancierte die ZHdK zusammen mit IKEA Schweiz die Weiterbildung «Interior Design Development Programme». Im Sommer 2019 haben alle neun Teilnehmenden die einjährige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und eine Vollzeitstelle in einem IKEA-Einrichtungshaus in der Schweiz angetreten. Ziel war es, eine enge Verbindung zwischen Ausbildung und beruflicher Laufbahn im Bereich Interior Design herzustellen. «Da gab es auch kritische Stimmen», erinnert sich Krohn, der auch dieses Angebot an der ZHdK verantwortete. «Es war die Rede von einer Ökonomisierung der Bildung.» IKEA habe zwar die gesamten Studiengebühren und die Entwicklung des Programms vollumfänglich übernommen. «Die ZHdK war jedoch völlig frei in der inhaltlichen Gestaltung des Curriculums», so Krohn.
Aufgrund der guten Erfahrungen startet im Herbstsemester 2020 das Certificate of Advanced Studies (CAS) «Atmospheric Design» an der ZHdK. Auch an diesem beteiligen sich namhafte Möbelhäuser wie de Sede oder Teo Jakob. Die Zusammenarbeit bringt Vorteile für beide Seiten: Die Unternehmen finden an der Hochschule Talente mit einer guten Vorbildung und Dozierende mit breiter und interdisziplinärer Expertise. Die ZHdK im Gegenzug kann eine attraktive und zukunftsorientierte Weiterbildung mit starkem Praxisbezug anbieten.
Auf Hausbesuch mit einem Atmospheric Designer
Krohn ist sich bewusst, dass ein sechsmonatiges CAS keine Innenarchitekten oder Innenausstatterinnen hervorbringt. «Ein Innenarchitekt weiss, wie dick eine Mauer sein muss oder wo ein Wasseranschluss notwendig ist. Das ist nicht das, was wir unseren Teilnehmenden vermitteln», erklärt Krohn. Es geht vielmehr um Emotionen, Storytelling und Dramaturgie im Raum, um die Analyse von Bedürfnissen, um Wahrnehmungs- und Verhaltenspsychologie. Viele Leute lassen sich gutes Wohnen etwas kosten. Sie legen Wert auf nachhaltige Ausstattung und wollen etwas über deren Geschichte wissen. Krohn bringt das Beispiel einer Expat-Familie, die nach dem Umzug in die Schweiz für ihre Wohnung eine komplette Möblierung wünscht. Atmospheric Designers lernen die Familienmitglieder und die Wohnung kennen und entwerfen ausgehend von ihren Erkenntnissen eine stimmige Wohnwelt. Hat die Familie einen Hund, sollte dies bei der Teppichwahl berücksichtigt werden. Ist die Mutter studierte Japonologin, liegt nicht zufällig auf dem skizzierten Nachttisch der neuste Roman der Schriftstellerin Yoko Tawada. Atmosphären werden aber nicht nur für private Wohnungen oder Möbelhäuser geschaffen, sondern auch für Büros, Arztpraxen oder Restaurants: Überall, wo der Mensch sich wohlfühlt, bleibt er gerne länger.
Die vielen Wohnblogs beweisen: Der Blick in fremde Zimmer ist reizvoll und die Lust am Einrichten wird öffentlich geteilt. Fast 35 Millionen Bilder finden sich unter dem Hashtag #homesweethome in den sozialen Medien. Das Interesse an gestalteten Wohn-, Arbeits- oder Erlebnisräumen ist gross. Wer und wie viele sich für das CAS «Atmospheric Design» anmelden, ist für Michael Krohn schwierig vorherzusagen. Entscheidend ist für ihn, was nach dem Abschluss passiert: «Wir suchen Leute, die das, was sie bei uns gelernt haben, in die Berufswelt hinaustragen.»
Weitere Informationen und Anmeldungen: zhdk.ch/cas-atmospheric-design
Informationsveranstaltung
Do, 19. März 2020, 18.30 Uhr, Kaskadenfoyer, 5.K04, Ebene 5, Toni-Areal, Zürich