Medienrückgabe

Der Blick hinter die «Klosterpforte», wo jährlich 70 000 Medien nach Hause finden. Foto: Regula Bearth © ZHdK

Lieblingsstück

VON FABIENNE KOCH
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Auf Ebene 5 des Toni-Areals, direkt vor der Bibliothek, klappt ein Maul geduldig auf und zu, schluckt gelesene Bücher und geschaute DVDs, die auf Nimmerwiedersehen auf einem Förderband in seinen Bauch verschwinden. Doch was geschieht, nachdem ein Buch den eingebauten Sensor und einen Vorhang aus schwarzen Borsten passiert hat? Felix Falkner, stellvertretender Leiter des Medien- und Informationszentrums (MIZ), öffnet die geheime Tür zu den Eingeweiden der Medienrückgabe. Die Hinterseite der «Klosterpforte», wie Falkner die Klappe nennt, besteht aus Rollbändern, welche die Medien in alle Himmelsrichtungen verteilen und dafür sorgen, dass «Les Demoiselles de Rochefort» im Bin 2 und nicht etwa im 3 landet. Die Bins sind Kinderwagen nicht unähnliche Rollgefährte, in welche die Medien purzeln, sortiert nach Standort und Medienart, damit kein schweres Buch auf delikate DVD-Hüllen fällt.

Rund 70 000 Medien passieren den Verdauungstrakt der Maschine im Jahr, 24 Stunden am Tag. Unermüdlich und nimmersatt kategorisiert sie Partituren, schwere und leichte literarische Kost, Medienkritik und Science-Fiction. Von der Maschine fühlt sich ihr enger Mitarbeiter Kurt Stirnimann aber nicht etwa bedroht, er sieht sie als Erleichterung, wie er erzählt, zumal noch genug Handarbeit beim Einsortieren in die Regale übrig bleibt. Ganz ohne den Menschen funktioniert sie nämlich nicht. Die vollautomatisch Medien verschlingende und verarbeitende Rückgabemaschine kann sich per SMS vertraulich an Stirnimann wenden, wenn sich ein Lesebändchen im Rollband verheddert, sie an medialer Verstopfung leidet oder ihr versehentlich ein Schlüsselbund ins Maul geschoben worden ist. Der sogenannt benutzerautonome Betrieb führt dazu, dass sogar um 2 Uhr nachts noch Ausgeliehenes zurückgegeben werden kann (ein Blick in die Statistik des MIZ bestätigt, dass diese Möglichkeit auch genutzt wird), aber manchmal eben auch ein blinder Passagier in der Rückgabeklappe landet. Was dem geübten Blick einer Bibliothekarin aus Fleisch und Blut nicht entgehen würde, führt bei der Rückgabemaschine dazu, dass sie nach kurzer Bedenkzeit ihr Maul wieder öffnet. Ohne Radiofrequenz-ID, die als Plakette in jedem Medium klebt, kann sie den Gegenstand nicht kategorisieren und weigert sich, ihn anzunehmen. Auf den Befehl «Beenden ohne Beleg» schliesst sich die Klosterpforte wieder, und die Maschine geht in den Ruhezustand, träumt im Dunkeln Maschinenträume.

In dieser Rubrik stellen ZHdK-Angehörige besondere Dinge aus dem Alltag an einer Kunsthochschule vor. Weitere Lieblingsstücke finden sich auf zett.zhdk.ch/lieblingsstueck.
Fabienne Koch (fabienne.koch@zhdk.ch) studiert im Bachelor Film der ZHdK und sieht beseelte Lebewesen in unbelebten Dingen.
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