Entschleunigung im Blätterwald

200 Magazine gibt es in Maurice Müllers Laden Print Matters! an der Hohlstrasse zu entdecken, darunter seine Favoriten «Toiletpaper» und «Sixteen Journal». Foto: Regula Bearth © ZHdK

«Broccoli», «032c» und «Mincho»: Das sind nur drei von über 200 Titeln, die es in den selbstgezimmerten Regalen in Maurice Müllers Laden Print Matters! zu entdecken gibt. Frisch ab Studium zeigt er an der Zürcher Hohlstrasse mit ausgewählten Printmagazinen das Potenzial von Gedrucktem, das informiert, unterhält und wunderschön anzuschauen ist.

VON ANDREA ZELLER
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Gleich nach dem Studium den eigenen Laden zu eröffnen, ist ein mutiger Schritt. In diesem Laden im Zeitalter der Digitalisierung dann auch noch ausschliesslich Printmagazine zu verkaufen, scheint geradezu verwegen. Maurice Müller, frischgebackener Besitzer von Print Matters!, winkt ab. Er sieht es wie der «Tages-Anzeiger», der jüngst «Papier hat Potenzial» titelte. «Der Markt für hochwertige, unabhängige Magazine ist vielfältig, und die Nachfrage besteht», ist sich Maurice sicher. Zudem sei Print Matters! ja kein unbeschriebenes Blatt: «Das Angebot gibt es seit 2015 als Pop-up-Store in Zürich und als Onlineshop.» Als Maurice hörte, dass die Gründer wegen Zeitmangels Ende 2018 aufhören wollten, setzte er sich mit ihnen in Verbindung. Man einigte sich rasch, und Maurice übernahm die Marke, das Logo und die Website für einen Freundschaftspreis. Wie stark sein Glauben an Print ist, bewies sein nächster Schritt: Onlinepräsenz reicht nicht, ein Ladenlokal muss her!

Dank 350 Personen an die Hohlstrasse

Maurices Werdegang zeigt eine klare Neigung zum geschriebenen Wort und eine hohe Affinität zu Design. Sein Trends-&-Identity-Studium an der ZHdK unterbrach er mehrmals für Praktika und Volontariate bei «NZZ Bellevue», «NZZ Stil», dem «Z-Magazin» und bei Modedesigner Julian Zigerli. Der vielseitig als Journalist, Stylist, Assistent und Fotograf Begabte lernte dabei viele Leute kennen, zum Beispiel den Fashionblogger und Zürichkenner Jeroen van Rooijen. Über einen Tipp von ihm fand er schliesslich ein Lokal an der Hohlstrasse 9 zwischen Langstrasse und Kaserne. Doch wie kommt ein 25-Jähriger an das nötige Kleingeld für einen eigenen Laden? Er klopft via Crowdfunding online bei Mitstudentinnen, Kafi-Besitzern, Leseratten und Philanthropinnen an. Der Plan ging auf – von 350 Personen kommen 49 000 Franken zusammen. Klingt simpel, doch Maurice relativiert: «Die Betreuung der Crowdfunding-Seite auf wemakeit.ch und die Administration der Belohnungen war ein Riesenaufwand, ich hatte das Ganze total unterschätzt.»

Doch nicht nur das Crowdfunding hat er unterschätzt: «Es gibt so viel zu planen und unzählige Formulare! Für die Bewilligung des Ladenschilds allein musste ich erst ein Vorgesuch ausfüllen, dann ein Gesuch, komplett mit Visualisierungen und Umgebungsbildern.» Der Aufwand für Bewilligungen, Zeitpläne, Zahlungsverkehr und Bestellungen ist enorm. Da ihm die diesbezügliche Erfahrung fehlt, ist er auf professionelle Unterstützung angewiesen: Vom Z-Kubator, einem Unterstützungsangebot der ZHdK für Start-ups in Design und Kultur, erhält er Hilfe beim Erstellen des Businessplans und Rechtsberatung in Sachen Arbeitsverträge und Versicherungen. Gelohnt hat sich der Aufwand aber auf jeden Fall: Der Laden ist mittlerweile offen, und der Kundenstamm des Newsletters hat sich dank der Crowdfunding-Aktion und des Presseechos vervielfacht.

Analog auftanken

Ob Maurice Müllers Vertrauen in Print gerechtfertigt ist, wird sich zeigen. Potenzial hat seine Idee auf jeden Fall: Mit «Digital Fatigue», digitaler Erschöpfung, begründeten laut einem Report des Marktforschers Ipsos die befragten Millennials ihren vermehrten Griff zu analogen Medien. Gegen diese Erschöpfung bietet Maurice Müllers Print Matters! nun eine Kur an: sich im Laden an der Hohlstrasse hinsetzen, aus den selbstgeschreinerten Regalen ein Magazin nehmen, und sich wieder mal so richtig in einen Artikel vertiefen, ohne blinkende Whatsapp-Nachrichten oder Push-Meldungen von Instagram, die nach Aufmerksamkeit verlangen. Sogar einen Kaffee kriegt man – auf Kollektenbasis aus der Bialetti. «Für einen offiziellen Getränkeausschank wären nochmals hundert Auflagen einzuhalten und Formulare auszufüllen – und für eine richtige Kaffeemaschine hätte das Budget ohnehin nicht mehr gereicht», lacht Maurice.

www.printmatters.ch

Andrea Zeller war Projektleiterin in der Hochschulkommunikation der ZHdK.
Print Matters!
Hohlstrasse 9, 8004 Zürich
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