Die Digitalisierung prägt unseren Alltag und verändert die Art, wie wir kommunizieren, unsere Freizeit gestalten und arbeiten. RENATO SOLDENHOFF, Leiter des Programms Digital Skills & Spaces der ZHdK, entwickelt Szenarien, wie die Jobprofile der Zukunft in den Künsten und im Design aussehen könnten und wie wir uns am besten darauf vorbereiten.
VON LUKAS ZITZER
___
Lukas Zitzer: Du hast fiktive Profile entwickelt, wie Künstlerinnen, Vermittler und Designerinnen in Zukunft arbeiten könnten. Welche Veränderungen wird es geben?
Renato Soldenhoff: Mit diesen fiktiven Profilen möchte ich zeigen, welche Kompetenzen in naher Zukunft beruflich relevant sein könnten: zum Beispiel der selbstbestimmte und reflektierte Umgang mit digitalen Möglichkeiten, das digital geprägte Pflegen von Beziehungen oder der eigene Umgang mit Technologien. Das Arbeiten und das Lernen werden vielfältiger und eigenverantwortlicher, das Einordnen von Informationen anspruchsvoller und die Formen der Zusammenarbeit komplexer.
Die Digitalisierung hat unseren Arbeitsalltag fundamental verändert. Damit einher geht die Angst, dass der Mensch irgendwann durch Computer verdrängt und ersetzt wird. Ist diese Angst begründet?
Die Digitalisierung wird oft als Welle beschrieben, die über uns hereinbricht und der wir ausgeliefert sind. Dieses Bild deckt sich nicht mit meiner Wahrnehmung. Wir sind alle Teil dieser Entwicklung, nutzen deren Möglichkeiten und leisten eigene Beiträge. Wir können eine stärker gestaltende Haltung einnehmen und unsere Zukunft so entwickeln, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die Technologie.
Für gewisse Dinge eignen sich Computer, andere beherrschen wir Menschen hervorragend. Wir können improvisieren, sind vielseitig, verfügen über Intuition, entwickeln Ideen und stellen Fragen. Zudem pflegen wir Beziehungen und haben einen Gerechtigkeitssinn.
Wie kann die Hochschule Studierende auf Stellen vorbereiten, von denen wir noch gar nicht wissen, was sie beinhalten werden?
Mit dem Programm Digital Skills & Spaces fördern wir fachübergreifende Kompetenzen, die für das digitale Zeitalter wertvoll sind. Basis dafür ist ein Kompetenzmodell, das wir erarbeitet haben. Das Angebot ist vielseitig: Wir planen zum Beispiel mit «What the Digital?!» einen Projektslam, es gibt den Online-Kurs «Design Your Future», und mit «Z-Skills» vernetzen wir Fachleute der ZHdK auf der Basis ihrer Kompetenzen. Solche Zusatzangebote sollen den Studierenden, aber auch allen anderen Angehörigen der ZHdK das Leben im digitalen Zeitalter erleichtern.
Besprechungen finden per Skype im Homeoffice statt, Probleme löst man via Mail unterwegs. Welche Bedeutung werden persönliche Begegnungen haben?
Ich beobachte, dass Menschen den persönlichen Dialog, die Begegnung und auch das räumliche Erleben genauso schätzen wie die digitale Kommunikation und Zusammenarbeit. Persönliche Begegnungen gewinnen sogar noch an Bedeutung, da sie exklusiver werden. Das eine schliesst das andere nicht aus. Die jeweiligen Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit erhalten einfach neue Bedeutungen.
Wir wollen die Qualitäten der physischen und der virtuellen Umgebungen gestalten und erkunden. Vorerst soll ein Seminarraum deshalb so umgestaltet werden, dass er für das Erlernen und Ausüben neuer Formen der Teamarbeit und der digitalen Kreation bestmöglich ausgestattet ist. Dieser Raum steht dann allen ZHdK-Angehörigen zur Verfügung und wird hoffentlich bald von Kontextern, Presenceressen und Slash/Artists bevölkert.
Die Off-Site-Musikerin
Das performative Arbeiten über Distanzen wird wichtiger. Alma ist Flötistin und spielt im städtischen Orchester sowie im International Telepresence Orchestra ITO. Sie hat sich ein kleines Musikzimmer mit einem telematischen Netzwerk-Tool eingerichtet. Zwecks Nebenverdienst nutzt sie das Studio, um Schülerinnen auf der ganzen Welt zu unterrichten.
Der Kontexter
Die Vielzahl an Informationen macht es schwierig, deren Relevanz einzuschätzen. Jari ist freischaffender Kontexter und bietet seine Dienste verschiedenen Organisationen und Unternehmen an. Er analysiert Informationen und stellt diese in verschiedenen Kontexten dar. Zusätzlich schreibt er regelmässig für Magazine und hält Vorträge.
Die Presenceresse
Die Begegnungen und die zwischenmenschliche Kommunikation gewinnen an Bedeutung. Die Theaterschaffende Matea bietet Beratungen und Workshops für Mitglieder heterogener Organisationen und Unternehmen an, in denen erforscht wird, wie man sich in Räumen bewusst begegnen kann und wie zwischenmenschliche Beziehungen neu und nachhaltig gestaltet werden.
Der Slash/Artist
Das Arbeiten in verschiedenen künstlerischen Bereichen und die Quersubventionierung von Projekten nehmen zu. Der Medienkünstler Marlon programmiert im eigenen Atelier und produziert in Fablabs. Er stellt in Off-Spaces aus und vertreibt seine Werke über Social Media. Ergänzend arbeitet er als Freelancer in einer Digitalagentur und programmiert Apps.