Kunstwerke statt Take-away

Künstlerin und ZHdK-Dozentin Marianne Mueller füllte den Kunstraum Saint Luke für ihr Werk «SMOKE» mit dichten Rauchschwaden. Foto: Betty Fleck © ZHdK

Seit Anfang 2019 gibt’s gleich neben dem Club Zukunft Kunst statt Teigtaschen: In einem ehemaligen Imbissstand im Zürcher Langstrassenquartier hat die ZHdK einen Kunstraum eröffnet. «Saint Luke» zeigt sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag Ausstellungen, kuratiert von Studierenden.

VON GIULIA ADAGAZZA
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Neonbeleuchtete 24-Stunden-Shops, schicke Werbeagenturen, proppenvolle Schaufenster und hippe Bars: Wer durch das Zürcher Langstrassenquartier streift, trifft rund um die Uhr auf Menschen, die arbeiten, einkaufen, herumlungern oder einfach die Nacht zum Tag machen. Seit Beginn dieses Jahres hat das Quartier im Kreis 4 einen neuen Bewohner, der niemals schläft: Zwischen den Nachbarn Club Zukunft und Bar3000 steht der ZHdK-Kunstraum Saint Luke.

Ausstellungen rund um die Uhr

Kuratiert wird der Kunstraum von den beiden Kunst-&-Medien-Studierenden Milena Langer und Samuel Haitz, die den ehemaligen Imbissstand eigenhändig umgebaut haben. Wo früher Teigtaschen über die Theke gingen, ist mit Saint Luke ein Kunstraum entstanden, in dem die ZHdK Kunstwerke auch ausserhalb des Toni-Areals einem breiten Publikum präsentieren kann. Durch eine eingebaute Glasscheibe sind die wechselnden Ausstellungen im beleuchteten Raum für das Langstrassenpublikum rund um die Uhr einsehbar.

Wie aber kommt das Konzept bei den Anwohnerinnen und Nachtschwärmern an? «Dank des 24-Stunden-Konzepts und der prominenten Lage erreichen wir je nach Tageszeit ein völlig anderes Publikum», erzählt Milena Langer. Dementsprechend vielfältig falle das Spektrum der Reaktionen aus, die von heller Begeisterung bis hin zu «Das soll jetzt Kunst sein?» reichen.

Kunstwerke nach Raummass

Der 7 Quadratmeter kleine Raum biete Chancen, aber auch Herausforderungen für das Kuratieren der Ausstellungen, so Haitz: «Die Künstlerinnen und Künstler müssen offen sein, mit ihren Werken auf die Eigenheiten und den Kontext des Raums einzugehen.» ZHdK-Dozentin Marianne Mueller beispielsweise füllte bei der Eröffnungsausstellung den gesamten Raum mit dichten Rauchschwaden. «In einem Museum wäre eine solche Ausstellung wohl nur schon aus Sicherheitsgründen schwer durchführbar gewesen», erklärt Haitz. Das Werk mit dem Titel «SMOKE» habe aber nicht nur zur Architektur des Raums gepasst, sondern auch zu dessen Verwandlung, erklärt das Kuratorenduo. So stand der Rauch symbolisch für die Ausräucherung des ehemaligen Imbissstands, um Platz für Neues zu schaffen. Auch das Werk «Himalaya Salt Dreams» von ZHdK-Studentin Flavia Senn, das ebenfalls anlässlich der Eröffnung gezeigt wurde, thematisierte die Reinigung des Raums durch Salzkristalle, die auf dem Boden verteilt waren.

Die eigene kuratorische Praxis erproben

Die beiden Kunststudierenden sammeln mit den Ausstellungen erste kuratorische Erfahrungen. Langer und Haitz wählen die Künstlerinnen und Künstler aus ihrem eigenen und dem ZHdK-Umfeld aus. Mit jeder Ausstellung wächst in ihnen die Gewissheit, dass sich die Rollen des Künstlers und der Kuratorin ähnlicher sind, als dies auf den ersten Blick scheinen mag: «Als Künstler lenke ich mit meinen Werken den Fokus auf ein bestimmtes Thema. Denselben Einfluss habe ich als Kurator mit der Wahl der Künstlerin und ihrer Werke», so Haitz. Nicht immer sei es jedoch einfach, sich und die eigene künstlerische Vision beim Kuratieren nicht in den Vordergrund zu rücken, ergänzt Langer. Nach der bisherigen kuratorischen Praxis ist für die beiden Studierenden klar: «Eine Ausstellung ist dann gelungen, wenn der Künstler und die Künstlerin das letzte Wort haben.»

Kunstraum Saint Luke
Dienerstrasse 33, Zürich
Programm
Giulia Adagazza war Projektleiterin in der Hochschulkommunikation der ZHdK.
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