Was macht Mode mit uns? Curatorial-Studies-Studierende aus dem Master Art Education hinterfragen gesellschaftliche Stereotype und geben Anstoss zum Umdenken: Aus einem Unterrichtsprojekt ist die Ausstellung «UNLABEL – Mode jenseits von Kategorien» im Museum für Gestaltung Zürich hervorgegangen, die Queer Theory in die Ausstellungspraxis überführt.

VON MARTINA EGLI
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Mode scheint allgegenwärtig. Auf Plakaten, im Web, in den sozialen Medien: Überall lachen uns modische Vorbilder entgegen. «Unsere Kleider tragen wir nicht nur zum Schutz vor Kälte, Wind und Wetter, sie stiften auch Identität. Doch Mode verkörpert oft sehr konservative Rollenbilder», sagt Lena Seefried, studentische Projektleiterin der Ausstellung «UNLABEL – Mode jenseits von Kategorien». «Wir sehen eine grosse Dringlichkeit, den gesellschaftlichen Diskurs über Herkunft, Identität und Geschlecht neu zu beleben.»

Vom Sextoy bis zur Haute Couture

Theoretische Grundlagen, Anliegen der LGBTIQ*-Bewegung sowie aktuelle Positionen aus Modedesign und Kunst bilden den Kern der Ausstellung. «In der Queer Theory geht es um unterschiedlichste Formen von Diskriminierung. ‹UNLABEL› schliesst daran an, will aber nicht belehren, sondern Möglichkeitsräume eröffnen», sagt Brooke Jackson, Sprecherin des kuratorischen Teams. Vom modularen Sextoy, das unter dem Begriff «Genderfull Design» ein möglichst breites Spektrum an Menschen ansprechen soll, bis zur Haute-Couture-Kollektion zieht sich ein roter Faden durch die Ausstellung: das Hinterfragen von Geschlechterkonstruktionen. Was heisst das? «Der gestrickte Oversize-Pullover von Jacqueline Loekito ist ein gutes Beispiel. Er wirkt so dominant und skulptural, dass das Geschlecht der Tragenden dahinter verschwindet und irrelevant wird», erklärt Brooke. Wallende Kleider und Stoffe stehen ebenso im Fokus wie klassische Mädchenfarben, die an männlichen Trägern neu konnotiert werden. «Mode bildet unseren Ausgangspunkt, unsere Fragestellung umfasst jedoch weitere Bereiche. Im Design zeigt sich das etwa bei Spielsachen, die speziell für Jungen oder für Mädchen entworfen werden», so Johanna Spögler, die im Vermittlungsteam der Ausstellung arbeitet. Wer bin ich? Was bedeutet es, Frau oder Mann zu sein? Wie kann ich mich selbst jenseits von Rollenmodellen präsentieren?

Die Kollektion «Bold is my favourite colour» von Julian Zigerli entstand in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Walter Pfeiffer (2018). Foto: Claude Gasser

Enthüllen und verhüllen

Von der Idee bis zur Vernissage haben die insgesamt 18 Masterstudierenden auch organisatorisch und kommunikativ viel bewegt. Das szenografische Team arbeitete von Beginn an eng mit dem kuratorischen Team zusammen, um den Diskurs in der Ausstellungsarchitektur räumlich erfahrbar zu machen. «Unsere Basis waren das Verhüllen und das Enthüllen von Identität, wobei Mode ein Mittel ist, sich auszudrücken», so Leslie Ospelt, Sprecherin des szenografischen Teams. «Aus diesem Thema haben wir ein Spiel mit schlichten Holzrahmen und unterschiedlichen Materialien wie Stoffen, Planen und Lackfolien entwickelt, die Charakter verleihen und Bezüge zu den Positionen herstellen.» Das Publikum ist eingeladen, stereotype Identitäten zu hinterfragen und bei den Veranstaltungen «Cut It Out!», «Body Experience» und «Pretty Pink, Baby Blue» selbst Hand anzulegen. Oder wie Brooke es auf den Punkt bringt: «Wir sind mit Mode gelabelt, und unser Ziel ist es, diese Kategorisierung aufzubrechen.»

* englisch für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Inter, Queer und weitere

«UNLABEL – Mode jenseits von Kategorien», bis 29. September 2019
Museum für Gestaltung Zürich, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, Zürich
Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr
Weitere Informationen
Martina Egli (martina.egli@zhdk.ch) ist Kommunikationsverantwortliche des Departements Kulturanalysen und Vermittlung der ZHdK.
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