Mit Alfred Escher im Belvoirpark

Illustration: Jana Laux, Nina Schwarz (Scientific Visualization)

Warum es schön sein kann, von der Vergangenheit eingeholt zu werden

Designstudierende der ZHdK haben eine Webapp entwickelt, die Leben und Wirken des Zürcher Vordenkers Alfred Escher vermittelt. Der Stadtspaziergang mit kostenlosem Tourguide führt den Zürichsee entlang und zurück ins 19. Jahrhundert.

VON LEA DAHINDEN

Es krabbelt, zwitschert und flattert im Belvoirpark im Zürcher Kreis 2. Gelbe Schmetterlinge spielen Fangen zwischen den Bäumen, und knallgrüne Käfer huschen vor den Füssen der Spazierenden über den gepflasterten Weg. Eine Männerstimme schwärmt: «Egal, wo ich bis anhin war: Kein Ort hat mir je dieselbe Erholung beschert wie das Belvoir.»

Wir sind auf dem Escher Walk, einem Stadtspaziergang mit digitalem Tourguide. Wo heute Strassen, Verkehr und Häuserreihen den Belvoirpark umringen, war einst die Stadt weit weg. Ein Video führt die Besucherinnen und Besucher mit ihrem Smartphone zurück ins 19. Jahrhundert. Schmetterlinge und Käfer aus der entomologischen Sammlung der ETH sind dank Animation zum Leben erwacht, und ein Erzähler liest aus Alfred Eschers Briefen vor. Diese Welt hat ZHdK-Studentin Rebecca Zesiger erschaffen. Und es ist nur eine von zwanzig Stationen, die es auf dem Escher Walk zu entdecken gibt.

Von Comic bis Video

Was wie aus einem Guss daherkommt, ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit vieler aus verschiedenen Fachrichtungen des Departements Design. Die Geschichten aus Trends & Identity mussten in Gefässe vom Interaction Design passen. «Der Austausch unter den Studierenden wurde zur Pflicht, denn sonst hätten die Gruppen nicht weiterarbeiten können», erklärt ZHdK-Dozent Jürgen Späth. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Stephanie Grubenmann der Fachrichtung Cast/Audiovisual Media hat das Storytelling mitentwickelt und stand dabei vor der grossen Herausforderung, bestehende Inhalte in eine noch zu programmierende Webapp zu integrieren. Ob Comic, Podcast oder Video: Der digitale Tourguide muss viele Formate bedienen und dabei für die Benutzerinnen und Benutzer übersichtlich bleiben.

Wie werden die einzelnen Escher-Geschichten zu einem Gesamterlebnis? Welche Informationen werden wie vermittelt? Was funktioniert intuitiv, wo braucht es genauere Instruktionen? Projektleiterin Barbara Liebster der Fachrichtung Trends & Identity hat mit der Webapp Escher Walk Neuland betreten. Ihre Studierenden waren sich bisher vor allem gewohnt, Projekte im Raum oder in grösseren medialen Formaten zu entwickeln. Und nun sollte plötzlich alles auf einen kleinen Bildschirm gepackt werden. «Ich hatte mit sehr gut überlegt, wie ich den Studierenden die Lust vermitteln kann, an einem historischen Thema zu arbeiten. Wir haben einen Weg gefunden, und die Orte von damals sind immer mehr zu Orten von heute geworden», so die Dozentin.

Eschers Spuren in Zürich

Der Stadtspaziergang orientiert sich am Leben des 1819 geborenen Alfred Escher. Er gilt als Vordenker, Eisenbahnpionier, Bankengründer und Gestalter der modernen Schweiz. Das Wirken des Unternehmers und Politikers prägte Zürichs Entwicklung zum Finanzplatz und Bildungsstandort von internationaler Ausstrahlung. Vieles, was heute noch in Zürich sichtbar ist, gäbe es ohne Escher nicht.

Was würde Alfred Escher heute in Gang setzen, wäre er ein Digital Native? Wären ihm die Ideale der industriellen Revolution – immer höher, schneller und weiter – auch im 21. Jahrhundert noch ein Ansporn? Escher kann uns darauf heute keine Antwort mehr geben. Doch vielleicht mag sich der eine oder die andere auf dem Escher Walk selber fragen, was Fortschritt für eine moderne Gesellschaft bedeuten soll und kann.

Der neunzigminütige Escher Walk ist ein Stadtspaziergang mit kostenlosem digitalen Tourguide. Die ZHdK-Webapp wurde vom Verein 200 Jahre Alfred Escher und Gottfried Keller und vom Lotteriefonds des Kantons Zürich gefördert.
www.escherwalk.ch
Lea Dahinden ist Projektleiterin in der Hochschulkommunikation.

 

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