Von Open Culture, immersiven Künsten und Sprach-Bots

Zurschaustellung des Nichtperfekten der digitalen Technologien: In der Performance «{reclaim the twelfth camel} < code of practice» überzeichnet und dramatisiert Künstler Alexander Tuchaček Mensch-Maschinen-Interaktion. Foto: © Christian Ritter

Susanne Schumacher über die Digitalisierung an der ZHdK

Digitale Technologien prägen unseren Alltag. Der digitale Wandel und die damit einhergehenden Veränderungsprozesse beeinflussen Arbeiten, Lernen und unser Leben ganz allgemein. Bildungsinstitutionen stehen vor der Herausforderung, neue Informationstechnologien sowohl in die Organisation wie auch in Lehre und Forschung zu integrieren. Susanne Schumacher, Vorsitzende des Digitalrats, spricht mit LUKAS ZITZER über Strategien, mit denen die ZHdK auf diese Prozesse reagiert, und wie sie diese gestaltet.

___

Lukas Zitzer: Frau Schumacher, was ist der Digitalrat der ZHdK?
Susanne Schumacher: Unser Digitalrat ist eine Expertengruppe und hat die Aufgabe, die Hochschulleitung im Themenbereich Digitalisierung zu beraten und Projekte zur Umsetzung des digitalen Wandels anzustossen und zu unterstützen. Er besteht aus Angehörigen der ZHdK, die fachlich oder künstlerisch ihren Schwerpunkt im Feld der Digitalisierung haben und aus allen Bereichen der Hochschule kommen. Auch Studentinnen und Vertreter des Mittelbaus arbeiten im Digitalrat mit.

Welche Massnahmen ergreift die Kunsthochschule, um digitale Medien in die Lehre zu integrieren?
Generell gehören ein reflektierter Mediengebrauch und hohe Kommunikations- und Vermittlungsfertigkeiten zu den Kompetenzen der meisten Disziplinen, die an der ZHdK gelehrt werden. Darüber hinaus fördern die E-Learning-Verantwortlichen seit Jahren den methodischen und didaktischen Gebrauch digitaler Medien in der Lehre. Künftig sollen vermehrt auch Kompetenzen für das digitale Zeitalter geschult werden – und zwar bei allen Angehörigen der ZHdK. Damit sind Kompetenzen gemeint, die Teamarbeit, digitale Teilhabe an der Gesellschaft und digitale Kreation fördern. Untersucht wird auch die Frage, wie Räume beschaffen sein müssen, damit die neuen, digital gestützten Arbeitsformen optimal ausgeübt werden können.

Künftig sollen vermehrt auch Kompetenzen für das digitale Zeitalter geschult werden – damit sind Kompetenzen gemeint, die Teamarbeit, digitale Teilhabe an der Gesellschaft und digitale Kreation fördern.

Obwohl über die grosse Flut an E-Mails geklagt wird, sind diese immer noch das zentrale Kommunikationsmittel an der ZHdK. Wird man auch in Bezug auf die Kommunikations- und Arbeitsprozesse in Zukunft neue Wege gehen und wenn ja welche?
Im Bereich der Online-Kommunikation und -Kollaboration gibt es bereits gute Angebote an der ZHdK, zum Beispiel Plattformen zur Projektorganisation, zum Austauschen von Dokumenten oder zur Organisation von Lerneinheiten. Unser Problem ist eher, dass es keinen verbindlichen Gebrauch dieser Werkzeuge gibt. Somit muss man in jeder Arbeitssituation von Neuem entscheiden, wie nun kommuniziert und kollaboriert werden soll. In dieser Situation ist die E-Mail oft das vermeintlich einfachste Mittel. Wir optimieren zurzeit das Intranet und erarbeiten Vorschläge für künftige Arbeitsprozesse.

Im Bereich der Wissenskultur reagiert die ZHdK bereits aktiv auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Wir arbeiten daran, die Ergebnisse aus Lehre und Forschung soweit möglich online, vernetzt und nachhaltig zugänglich zu machen, beispielsweise mithilfe eines Publikationsrepositoriums. So fördern wir eine Kultur des freien Zugangs zu Wissen und entsprechen den Werten von Open Science, gemäss denen Forschungsergebnisse für alle verfügbar sein sollen. Dabei ist wichtig, dass neben textbasierten Veröffentlichungen auch multimediale Artikulationsformen der künstlerischen Forschung adäquat dargestellt werden.

Viele der Studienanfängerinnen und -anfänger sind Digital Natives. Haben ältere Mitarbeitende mehr Mühe damit, sich neue Technologien anzueignen?
Ich bedaure diese verbreitete Verallgemeinerung, die unnötig zwischen Generationen polarisiert. Die Aneignung von Neuem wird von Neugierde getrieben, einer Eigenschaft, die zum Glück nicht nur der Jugend vorbehalten ist. Dabei ist unbestritten, dass verschiedene Communities digitale Technologien unterschiedlich einsetzen – ob dies nun soziale Medien, professionelle Software oder Programmiersprachen sind.

Nimmt der Digitalrat die Bedenken von Menschen auf, die sich immer mehr durch Technologie fremdgesteuert fühlen?
Der Digitalrat blickt natürlich auch kritisch auf die Auswirkungen der Digitalisierung und reflektiert deren Grenzen, insbesondere dort, wo sie spezifisch mit den Künsten zu tun haben. Den Mitgliedern des Digitalrats ist es ein Anliegen, dass der Mensch im Zentrum steht und Digitalisierung nur dort vorangetrieben wird, wo dies Sinn macht.

Die Aneignung von Neuem wird von Neugierde getrieben, einer Eigenschaft, die zum Glück nicht nur der Jugend vorbehalten ist.

Können Sie uns ein Beispiel geben, wo digitale Technologien Einfluss auf künstlerische Arbeitsweisen haben?
Der ZHdK-Schwerpunkt «Immersive Arts» ist ein Beispiel: In den letzten Jahren führten Medientechnologien wie Motion Capture, Videoprojektionsmapping und 3D-Audio zu neuartigen Anwendungen im den Bereichen Augmented und Virtual Reality. Bühnenkünste wie Musik, Tanz und Performance, aber auch die Disziplinen Film und Game Design erweitern mithilfe dieser Technologien ihre Formen des Geschichtenerzählens und der Interaktion zwischen Kunstschaffenden und Maschinen, vor allem aber ermöglichen sie interessante Imaginationen beim Publikum. Die ZHdK arbeitet gegenwärtig unter der Leitung von Christian Iseli mit Pilotprojekten auf die Einrichtung eines «Immersive Arts Space» hin, der interdisziplinär genutzt werden soll.

Welche Werke und Projekte Studierender oder Dozierender der Hochschule im Feld der digitalen Künste begeistern Sie?
Kürzlich hatte ich in Bezug auf Sprach-Bots und Machine Learning einige Aha-Effekte – und zwar als diese von Künstlern auf die Bühne gebracht wurden. Einerseits war dies bei der Kunstperformance «{reclaim the twelfth camel} < code of practice» von Alexander Tuchaček am Collegium Helveticum der Fall und andererseits bei «Chatbots on Stage» des Improvisationstheaters in der Kunsthalle Zürich, organisiert von ZHdK-Forscher Gunter Lösel. In beiden Aufführungen wurde die Mensch-Maschinen-Interaktion überzeichnet und dramatisiert. Es entstanden witzige, artifizielle «Dialoge». Meine Erwartungen als Zuschauerin wurden gezielt strapaziert. Ich fand diese Zurschaustellung des Nichtperfekten der digitalen Technologien auf der Bühne und die Brüche, die sich daraus für die Aufführungssituation ergaben, sehr spannend.

Dr. Susanne Schumacher (susanne.schumacher@zhdk.ch) ist Vorsitzende des Digitalrats der ZHdK. Zudem leitet sie das Programm Digitales Wissen, mit dem Inhalte aus Lehre und Forschung online nachhaltig zugänglich gemacht werden.
Lukas Zitzer ist Kommunikationsverantwortlicher des Departements Kunst & Medien und baut die Kommunikationskanäle des Digitalrats der ZHdK auf.
Teile diesen Beitrag: