
Auf dem Sprung in die nächste Projektphase: Simon Oschwald (links) und Fabian Engel mit dem Prototyp ihrer Beinprothese. Foto: Regula Bearth © ZHdK.
Zahlreiche Wettbewerbe konnten Simon Oschwald und Fabian Engel mit einer Beinprothese aus rezykliertem Kunststoff bereits für sich entscheiden. Frisch ab ZHdK behaupten sich die beiden Industriedesigner erfolgreich in der Start-up-Szene.
VON GIULIA ADAGAZZA
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«Stell dir vor, du hast ein Bein verloren und bekommst die Chance, wieder zu gehen. Es ist nicht nur ein Bein, das du erhältst. Es ist ein neues Leben.» Die beiden ZHdK-Industrial-Design-Absolventen Simon Oschwald und Fabian Engel wissen, wie man einer Jury Ideen verkauft. Wenn es sein muss auch in nur zweieinhalb Minuten. Mit Project Circleg, einer Beinprothese aus rezykliertem Kunststoff für Entwicklungsländer, qualifizierten sie sich für das internationale Falling-Walls-Lab-Finale in Berlin, gewannen den nationalen James Dyson Award 2018 und weitere nationale Auszeichnungen für Nachwuchsforschende.
Gerade haben sie noch die Studienbank gedrückt, und schon dreht sich bei den beiden Designern alles um Businesspläne, Geschäftsmodelle und die Suche nach Investorinnen. Das Einmaleins der Businesswelt hätten sie sich innerhalb kürzester Zeit angeeignet, erzählt Simon Oschwald: «Die Lust, ein eigenes Projekt von A bis Z umzusetzen und in die Start-up-Szene einzutauchen, treibt uns an.»
Keine Angst vor Neuland
Dass sie nicht vor thematischem Neuland zurückschrecken, bewiesen Simon Oschwald und Fabian Engel bereits bei der Wahl ihres Diplomprojekts, dem Startschuss zu Project Circleg. «Während des Studiums merkte ich, wie viel Potenzial der soziale Aspekt von Design eröffnet», erzählt Fabian Engel. Dazu gehöre auch die sinnvolle Wiederverwertung von Kunststoff. Ein Abfallprodukt, das besonders in Entwicklungsländern in grossen Mengen zu finden sei.
Der Wunsch, als Designer Sinnvolles zu bewirken, und das Interesse für Kunststoffabfälle machten aus den beiden Studenten ein Team. Innerhalb von sechs Monaten eigneten sie sich einen enormen Wissensschatz über Kunststoff und Prothetik an. Tauschten sich mit Materialexperten der Empa, des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes und Orthopädietechnikern aus und hielten schliesslich im Sommer 2018 den ersten Prototyp in der Hand.

Auslegeordnung des Designprozesses: Vom ersten Modell bis zum letzten Prototypen. Foto: © Project Circleg.
Begeisterung in der Schweiz und in Afrika
Das nationale und internationale Feedback auf das Projekt sei bereits während der Recherche sehr positiv gewesen, erinnert sich Fabian Engel: «Ein Prothesenproduzent in Kenia meinte gar sofort: <Schickt uns eure Pläne und wir starten die Produktion!>» Erfolgsmomente wie diese ermutigten die Designer schliesslich, die Grenze zwischen Diplomprojekt und eigenem Start-up zu überschreiten. «Es ist sicher von Vorteil, dass wir mit einem frischen Blick an die Thematik herangegangen sind», ist Simon Oschwald überzeugt. Der Austausch mit Betroffenen und Produzenten in Kenia habe geholfen, stets aus der Benutzerperspektive zu entwickeln. So ist ihre Beinprothese im Gegensatz zu den in Kenia erhältlichen Modellen mit einem Kniegelenk ausgestattet. Gelenke und Farben können dank des modularen Systems individuell angepasst werden.
In der Start-up-Szene angekommen
Überwältigt sind die beiden Entwickler nicht nur vom positiven Feedback, sondern auch von den Möglichkeiten für Start-ups in der Schweiz. «Stiftungen, Impact Hubs, Coachings oder Wettbewerbe, die Unterstützung für Start-ups ist fast unbegrenzt», schwärmt Oschwald. Am UZH Innovators Camp, einer einwöchigen Summer School in Kooperation mit dem Z-Kubator-Förderprogramm der ZHdK, tauchten sie erstmals tiefer in die Start-up-Szene ein. Es folgte eine Anschubfinanzierung des Instituts für Designforschung der ZHdK, die das Projekt weiter ins Rollen brachte. «Weconnex» und «Seif», zwei Unternehmen, die auf Social Entrepreneurship spezialisiert sind, stehen ihnen ebenfalls beratend zur Seite. Es scheint, als seien die beiden Designer mittlerweile in der Businesswelt angekommen. «Gewisse Situationen, zum Beispiel das Networking mit möglichen Geldgebern, brauchen immer noch Überwindung», gesteht Simon Oschwald.
Zurzeit stecken die Jungunternehmer ihre gesamte Zeit und Energie in das Projekt. Stösst man bei einem derart ehrgeizigen Zeitplan nicht an seine Grenzen? «Meine persönlichen Grenzen verschieben sich von Tag zu Tag», stellt Oschwald fest. Da verleihe die eingespielte Arbeit im Team besonderen Antrieb. «Bei einem Persönlichkeitstest fanden wir heraus, dass wir vom Charakter her sehr unterschiedlich sind, uns aber, was die Arbeitsmoral und die Wertvorstellungen betrifft, perfekt ergänzen», führt der Designer weiter aus. Beste Voraussetzungen also, um mit der Weiterentwicklung des Prototyps zu starten.