Frischer Wind in der Alphornszene

Ob in Bern, Luzern oder im Zürcher Kreis 5: Yui Yukutakes Auftritte als Alphorn-Strassenmusikerin fallen auf. Foto: © Regula Bearth

Die dreissigjährige Japanerin und ZHdK-Studentin Yui Yukutake hat in der Schweiz eine ungewöhnliche Leidenschaft entdeckt: Sie spielt Strassenmusik mit dem Alphorn. Ihre Auftritte kommen nicht nur bei Passantinnen und Touristen gut an. 

VON ANDREA ZELLER
___

Ein schwingender, erhabener Klang entweicht dem Alphorn, er beschwört Bilder von Bergen, Kühen und älteren Männern in Edelweisshemden mit einer Krummen im Mundwinkel herauf. Die Erzeugerin der Klänge hat jedoch wenig mit diesen Bildern gemein: Yui Yukutake ist eine junge Frau aus Japan, die in Jeans und T-Shirt auf dem Zürcher Bürkliplatz ins Alphorn bläst. Seit 2015 tritt die Musikerin mit dem Traditionsinstrument in Schweizer Städten auf.

Mit dem Alphorn auf den Zürcher Strassen

In die Schweiz kam Yui für ihren Master in Musik an der Zürcher Hochschule der Künste. Ihr eigentliches Instrument ist jedoch nicht das Alphorn, sondern das Horn. Wie sie vom Horn zum Alphorn kam, ist rasch erklärt: «Um mein Studium zu finanzieren, spiele ich im Sommer als Strassenmusikerin. Mit meinem eigenen Instrument, dem Horn, nahm ich jedoch kaum etwas ein. Befreundete Musikerinnen rieten mir, aufs Alphorn zu wechseln.» Zusammen mit den beiden Freundinnen, ebenfalls professionelle Hornspielerinnen, gründete sie das Alphorntrio The Alpine Sisters und spielte fortan auf den Strassen Zürichs, an Hochzeiten und privaten Festen. Die Einnahmen stiegen, und sie begeisterte sich mehr und mehr für das über 3 Meter lange Schweizer Instrument.

Und wie reagiert das Publikum? «Die Leute sind sehr herzlich und reagieren positiv. Vor allem ältere finden es schön, dass eine junge Frau ein traditionelles Instrument spielt.» Nur selten reagiere jemand ungehalten, und meist werde diese Person dann vom Publikum selbst zurechtgewiesen.

Japans lebendige Alphornszene

«Das Alphorn verlangt eine ähnliche Blastechnik wie das Horn, ich habe es einfach mal ausprobiert», beschreibt Yui ihre ersten Annäherungen ans Instrument. Durch regelmässiges Spielen machte sie rasch grosse Fortschritte. So grosse, dass sie 2018 sogar den Alphornbläserwettbewerb am Internationalen Alphornfestival in Nendaz gewann. Sie spielte ein Stück von Robert Scotton, der auch am Alphornfestival auftrat. «Er hat sich sehr gefreut, dass ich ein Stück von ihm ausgewählt habe», erinnert sich Yui. Sie hat auch selbst für das Alphorn komponiert. «Leider hatte ich damit aber bisher keinen Erfolg an Wettbewerben», lacht die Musikerin.

Nach Abschluss ihres Studiums will Yui eine Stelle als Hornspielerin in einem Orchester suchen. Am liebsten in der Schweiz oder in einem der umliegenden Länder – sie heiratet im nächsten Jahr und möchte weiterhin viel Zeit in ihrem Zuhause in Fahrweid verbringen können. Zuvor will sie aber endlich mal in ihrem Heimatland Alphorn spielen. «Im November besuche ich meine Eltern in Takashima. Da werde ich hoffentlich zum ersten Mal in Japan spielen.» Yuis Auftritt in ihrer Heimat wird wohl für weniger überraschte Mienen sorgen als hier in der Schweiz; Japan hat eine lebendige Alphornszene mit Festivals, Klubs und Wettbewerben. Im kommenden Sommer wird die Studentin mit ihrem Alphorn wieder in den Schweizer Städten zu hören sein – vielleicht sogar mit neuen Klängen, beeinflusst von ihrem Japanbesuch.

Andrea Zeller war Projektleiterin in der Hochschulkommunikation der ZHdK. Im Gespräch mit Yui Yukutake erfuhr sie viel Neues über Japan, das Alphorn und die städtischen Regeln für Strassenmusikerinnen.
Teile diesen Beitrag: