Gemeinsamkeiten und Gegensätze bei einem Theaterprojekt in Burkina Faso
Sechs Theaterpädagogikstudierende der ZHdK reisten Ende September nach Ouagadougou. Gemeinsam mit 65 Kindern und Jugendlichen einer Schule erarbeiteten sie dort ein Theaterprojekt. Marcel Wattenhofer, ZHdK-Dozent und Leiter des Projekts, spricht im Interview über Fremdes und Vertrautes, Tücken beim Velofahren und den Stellenwert von Gold und Kunst in Burkina Faso.
VON LEA DAHINDEN
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Lea Dahinden: Marcel Wattenhofer, du bist seit wenigen Tagen zurück in der Schweiz. Was verbindet dich mit dem afrikanischen Kontinent?
Marcel Wattenhofer: Ich war mal als Student an der Elfenbeinküste in einem Austauschprojekt, um eine Arbeit zu schreiben, und reiste in einem Segelschiff um das Kap der Guten Hoffnung, aber sonst kannte ich Afrika kaum. Für die Vorbereitungen unseres Theaterprojekts bin ich letztes Jahr nach Burkina Faso gereist und habe rekognoszierend das Land kennengelernt. Die Hauptstadt Ouagadougou ist etwa viermal so gross wie Zürich, hat aber kaum was mit Zürich gemein. Die Strassen sehen aus wie Sandpisten, die sich dann nach heftigen Gewittern in Pfützen verwandeln. Mit dem Velo ohne dreckig-schlammige Füsse am Ziel anzukommen erfordert nach Regen einiges Geschick.
Worum geht es bei eurem Theaterprojekt «Wir erforschen die Welt»?
Unsere sechs Studierenden im Bachelor Theater entwickelten mit 65 Kindern und Jugendlichen der öffentlichen Volksschule Saint-Viateur in Ouagadougou ein Theaterprojekt, das sie nach zwei gemeinsamen Wochen mit einer Aufführung krönten. Mit «Le respect» setzten wir auf gegenseitigen Respekt, auf Toleranz, aber auch auf Gold, das wichtigste Exportprodukt des Landes, das notabene zu 90 Prozent in der Schweiz raffiniert wird. Es ging uns vor allem um den gegenseitigen Austausch, das Kennenlernen eines unterschiedlichen Welt- und Theaterbildes und um ein Verständnis für gemeinsame szenische Lösungen. Wir lachten viel, staunten viel, aber teilweise war auch Klärungsbedarf vorhanden. Da halfen uns die drei Studierenden der CFRAV, der Theaterschule aus dem Espace Culturel Gambidi aus Ouagadougou, tatkräftig, indem sie direkt übersetzten, was wir mit unserem Schulfranzösisch nicht hinkriegten. Dieser Kontakt auf Studierendenebene ist ebenfalls sehr wertvoll und aus unserer Sicht ein zentrales Anliegen. Unterschiedliche künstlerische Perspektiven förderten den Diskurs, so dass wir auf beiden Seiten vom gemeinsamen Forschen profitieren konnten.
Eine Woche Vorbereitung, zwei Wochen vor Ort in Ouagadougou … eine kurze Zeit, nicht?
Ich habe gemerkt, dass wir mit den Studierenden nicht den gewohnten Rhythmus wie in der Schweiz durchziehen konnten. Die Hitze, das ungewohnte Essen, die französische Sprache beim Anleiten, die vielen neuen Eindrücke: All dies war überwältigend und für einige auch teilweise herausfordernd. Zwei Wochen waren daher eine gute Zeitspanne. Das Projekt ist zudem eines von diversen Austauschprojekten der Theaterpädagogik an der ZHdK und dadurch insgesamt grösser und tiefer greifend als auf den ersten Blick erkennbar.
Welchen Stellenwert hat Kunst in Burkina Faso?
Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder Afrikas. Die Verteidigung der kulturellen Vielfalt gilt für uns als unverzichtbares Entwicklungsinstrument. Mit dem Theaterprojekt stehen wir in direktem Austausch mit Kindern, Jugendlichen und deren Bildungsverantwortlichen. So hoffen und glauben wir, Leute zu stärken, ihre eigene Identität und ihre künstlerischen Ausdrucksweisen zu schärfen. Dennoch ist es kein Zufall, dass wir mit einer Schule zusammengearbeitet haben, die eher Kindern und Jugendlichen offensteht, deren Eltern über die nötigen finanziellen Möglichkeiten verfügen, da einzig dort Kunst im Unterricht stattfindet. Andernorts gilt: Kunst ist generell nicht wichtig und sicher nicht etwas, das in der Schule gelehrt wird.