
Im neuen Masterstudiengang Dance legen Friederike Lampert und Samuel Wuersten den Fokus auf Vermittlung und Choreografie. Foto: Regula Bearth © ZHdK
Im Herbst 2018 nehmen acht Tanzkünstler und -künstlerinnen das neue Masterstudium Dance an der ZHdK auf. Ein Gespräch mit Friederike Lampert und Samuel Wuersten über Herausforderungen in Tanzstudios und darüber, was die Studierenden erwartet.
VON LILO WEBER
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Lilo Weber: Der Master Dance ist ein Studiengang für Choreography und Teaching and Coaching Dance Professionals. Warum nicht zwei verschiedene Masterstudiengänge: einen für Choreografie und einen für Tanzpädagogik?
Friederike Lampert: Die beiden Praxisfelder sind eng miteinander verflochten, insbesondere im zeitgenössischen Tanz, aber auch im Ballett. Zur Arbeit von Choreografen und Choreografinnen gehört Vermittlung. Trainings- und Probenleiter wiederum müssen choreografische Konzepte verstehen, um Proben leiten zu können.
Samuel Wuersten: Zum Choreografieren gehört die Fähigkeit, zu vermitteln. Ob sich Studierende stärker auf Coaching and Teaching konzentrieren und nicht eigene Kreationen schaffen wollen oder umgekehrt: Sie brauchen Verständnis für die Prozesse und die Dynamik im Studio. Wie geht man miteinander um? Wie erarbeitet man Bewegungen mit Tänzern, und wie ruft man diese aus ihnen hervor?
Lilo Weber: Ist das also ebenfalls ein Masterstudiengang für künftige Ballettmeister und -meisterinnen, die Ballette von Choreografen für eine Kompanie einstudieren?
Samuel Wuersten: Genau, choreografische Assistenten. Heutige Choreografinnen und Choreografen haben häufig jemanden zur Seite, die oder der die Ausarbeitung der Ideen begleitet.
Friederike Lampert: Teaching and Coaching Dance Professionals ist eigentlich der zeitgemässe Ausdruck für Ballettmeister und deckt auch Tätigkeiten wie Trainingsleitung oder Probenleitung ab.
Lilo Weber: Welche Voraussetzungen müssen die Studierenden mitbringen?
Friederike Lampert: Der Studiengang richtet sich an erfahrene Berufsleute. Die Studierenden sollten einen Bachelorabschluss im Bereich Tanz haben und die Produktionsprozesse in einer Tanzkompanie kennen, sei dies an einem Stadttheater oder in der freien Szene. Drei Jahre Erfahrung im Bereich Tanz sind wünschenswert. Es ist aber auch eine Aufnahme „sur dossier“ möglich.
Samuel Wuersten: Von der Persönlichkeit her denken wir an initiative Studierende, die etwas anpacken wollen. Nur so können wir ihnen auch helfen, sich künstlerisch zu entwickeln.
Lilo Weber: Angenommen, jemand ist nicht dafür geeignet, zu unterrichten – kann die Person trotzdem am Studiengang teilnehmen, um Choreografieren zu lernen?
Samuel Wuersten: Es gibt eine Aufnahmeprüfung, und wir versuchen abzuklären, was jemand will und kann. Man muss eine Affinität für diese Arbeit mitbringen. Unsere Kombination von Kreieren und Vermitteln ist aufgrund eines Defizits entstanden, das in den Tanzstudios erkannt wurde. Es gibt brillante Choreografen, die aber nicht wirklich gut mit Tänzerinnen und Tänzern umgehen können, vielleicht unsicher sind und darum für ihre Umgebung schwierig werden können.
Lilo Weber: Wo entscheidet sich, ob jemand eher Richtung Choreografie oder Richtung Pädagogik gehen wird?
Friederike Lampert: Ganz am Anfang. Die Studierenden melden sich mit dem Schwerpunkt an, wissen aber, dass der andere Bereich auch Teil des Studiums ist. Das ist das Besondere an diesem Studiengang.
Lilo Weber: Gute Choreografinnen und Choreografen zeichnen sich durch einen eigenen Stil aus. Wie kann der Studiengang den Studierenden helfen, ihren Stil zu finden?
Friederike Lampert: Das Studium bietet ein vielfältiges Angebot für den Einzelnen. Wir bemühen uns, Inspiration zu ermöglichen – gerade auch indem sich die Studierenden mit vielen verschiedenen Bewegungsstilen und Arbeitsweisen vertraut machen können.
Samuel Wuersten: Durch Begegnungen, in Gesprächen oder einer tieferen Auseinandersetzung mit den Arbeiten eines Choreografen wollen wir den Studierenden helfen, herauszufinden, was sie fasziniert und weshalb. Wie stark sich die Studierenden entwickeln, entscheidet sich letztlich auch durch den persönlichen Einsatz.
Lilo Weber: Der Tanzanalyse wird im Semesterplan viel Platz eingeräumt. Ist das nicht zu viel Theorie?
Friederike Lampert: Das ist nicht zu viel Theorie. Wir arbeiten weniger tanzwissenschaftlich als tanzgeschichtlich. In der Tanzgeschichte gibt es für Choreografinnen und Choreografen viel Inspirierendes zu entdecken. Wir haben mit der ZHdK ein E-Learning Tool entwickelt. Auf einer Zeitachse, die sich über 400 Jahre Tanzgeschichte erstreckt, kann man Videos aufrufen und bekommt so einen visuellen Eindruck der bedeutenden und charakteristischen Werke.
Samuel Wuersten: Der Kontext, in dem Tanz geschaffen wird, ist wichtig – auch der historische. Den muss man einfach kennen. Sich damit auseinanderzusetzen ist für die eigene Arbeit aufschlussreich. So können wir in die Zukunft schauen, etwas ganz anderes machen und das Gelernte bewusst wieder loslassen.
Lilo Weber: An der ZHdK studieren auch Filmerinnen, Schauspieler, Musikerinnen und Designer. Gibt es die Möglichkeit, mit diesen zusammenzuarbeiten?
Samuel Wuersten: Es war eine bewusste Wahl der ZHdK, neben der Tanzakademie einen Bachelorstudiengang für zeitgenössischen Tanz und nun einen Masterstudiengang einzurichten. Wir wollen Verbindungen zwischen den verschiedenen Kunstrichtungen ermöglichen und fördern.
Lilo Weber: Wie sieht es mit der Vernetzung mit Institutionen und Persönlichkeiten ausserhalb der Hochschule aus?
Friederike Lampert: Angestrebt wird, dass die Masterstudierenden verschiedener Kunstrichtungen sich untereinander zusammentun und gemeinsam kreieren. Es gibt in der Studienplanung das Modul Mastercluster. In diesem werden Kurse interdisziplinär unterrichtet.
Samuel Wuersten: Internationale Vernetzung bildet das Fundament unseres Bachelorstudiengangs für zeitgenössischen Tanz. Da schliessen wir an, indem wir beispielsweise regelmässig Gastdozierende einladen. Nur so macht die Durchführung eines solchen Studiengangs Sinn – die Verbindung zur Berufspraxis muss greifbar sein.
Lilo Weber: Wie sieht die zeitliche Belastung aus, und wie lange dauert das Studium?
Friederike Lampert: Es ist ein Vollzeitstudium. Wir versuchen zeitliche Flexibilität zu ermöglichen. Das Studium ist individuell gestaltbar, aber es gibt klare Richtlinien, die erfüllt werden müssen.