Das Schweizer Theaterereignis des Jahres steht kurz bevor
Mit 100 Laiendarstellenden probt ZHdK-Dozentin Liliana Heimberg derzeit die Theaterproduktion «1918.CH – 100 Jahre Landesstreik», die vom 16. August bis 23. September in Olten zur Aufführung kommen wird. Im Interview beantwortet die künstlerische Leiterin des Projekts Fragen zum Landesstreik, zur Besonderheit des Bühnenbildes und zur Arbeit mit nicht professionellen Spielerinnen und Spielern.
VON CAROLINE SÜESS
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Caroline Süess: Was ist 1918 passiert?
Liliana Heimberg: Der Landesstreik erschütterte vor 100 Jahren die Schweiz und brachte sie an den Rand eines Bürgerkriegs. Als Vertretung der organisierten Arbeiterschaft konfrontierte das «Oltener Aktionskomitee» den Bundesrat im November 1918 mit neun politischen Forderungen. 250 000 Arbeiterinnen und Arbeiter legten ihre Arbeit nieder. Die Forderung nach mehr sozialer Sicherheit, verbesserter politischer Partizipation und sozialer Gerechtigkeit beantworteten Bundesrat und Parlament mit einem massiven Truppenaufgebot. Nur wenige Tage später endete der bislang einzige landesweite Streik mit der bedingungslosen Kapitulation des Streikkomitees.
Wie prägte der Landesstreik die Schweiz?
Der Landesstreik stellte den Mythos der nationalen Einigkeit infrage und wurde in der Folge aus den Lehrplänen verdrängt. 100 Jahre später können wir erkennen, dass die Themen von damals die politische Agenda unseres Landes im letzten Jahrhundert mitbestimmt haben. Beispielsweise die Einführung der AHV, das Frauenstimm- und -wahlrecht oder die Senkung der Arbeitszeit. Die Frage der Verteilung von Macht und Einfluss in der schweizerischen Gesellschaft stellt sich weiterhin.
Wie bringst du diese dramatischen Tage der Schweizer Geschichte auf die Bühne?
Ein professionelles Leitungsteam erarbeitet, basierend auf jüngsten Forschungsarbeiten zum Landesstreik, in Olten mit rund 100 Laiendarstellenden aus der Region sowie der Basel Sinfonietta eine mehrsprachige Theaterinszenierung. Diese bildet den Rahmen für den Auftritt von insgesamt zwanzig weiteren Theatergruppen aus allen Landesteilen, die Geschichten aus ihren Kantonen zum Landesstreik mitbringen. Jeder Theaterabend erhält damit einen anderen Ablauf.
Ungewöhnlich ist auch das Bühnenbild. Wie kam es dazu?
Für Bühnenbild und Licht konnte ich Lukas Sander gewinnen, der kürzlich seinen Master Theater in Bühnenbild an der ZHdK abgeschlossen hat. Als wir drei Hallen der alten SBB-Werkstätte angeboten bekamen, war uns klar: Die Alte Hauptwerkstätte selbst und einige vorgefundene Einrichtungselemente werden das Bühnenbild sein – sie sind wichtige Akteure an diesem Theaterabend. Auch das Licht wird von der Architektur der Hallen bestimmt.
Was zeichnet die Arbeit mit Laien aus?
Ich empfinde sie als eine sehr sensible Gratwanderung. Die Laien opfern viel Freizeit für das Projekt. Wenn jemand, der den ganzen Tag arbeitet und noch für die Familie zuständig ist, die Energie dafür aufbringt, muss die Probe «etwas bringen» und Spass machen. Entdecken die Spielenden neue Seiten an sich und sind bereit, diese zu entwickeln, können fürs Theater befreiende und wertvolle Momente entstehen.
16. August bis 23. September 2018
Alte Hauptwerkstätte, Gösgerstrasse 52, Olten
Daten und Tickets