
Weben mit einfachen Mustern vielschichtige Klangteppiche: Jonas Ruther (links) und Lucca Fries. Foto: Andrea Ebener © Hely
Ein altersschwacher Flügel spielt die Hauptrolle auf «Borderland» von Hely
Die ZHdK-Alumni und Jazzmusiker von Hely arbeiten sich auf ihrem neuen Album «Borderland» in orchestrale Sphären vor. Auf einem alten Flügel mit starkem Eigenleben legt Lucca Fries Klangteppiche aus, die Jonas Ruther am Schlagzeug gestaltet – und umgekehrt. Vom Etikett «Neoklassik» hält das Duo wenig, eher empfiehlt es sich als Justin Bieber für Fortgeschrittene.
VON CAROLINE SÜESS
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Caroline Süess: Ist Hely Ludovico Einaudi für Fortgeschrittene?
Lucca Fries: Du spielst auf das Stück «Borderland» an, in dem ich mich Harmonien bediene, wie sie heute in jedem zweiten Popstück zu hören sind. So kann man das sehen! Aber Jonas spielt einen Backbeat, insofern sind wir auch Justin Bieber für Fortgeschrittene. Oder Jazz für Anfänger?
«Punk ist zurück, sitzt aber am Klavier», beschwor «Die Zeit» kürzlich das junge Genre der Neoklassik. Zählt ihr euch dazu?
Ich finde den Begriff irreführend, und ich glaube, auch die meisten damit bezeichneten Musiker identifizieren sich nicht damit. Für die junge Generation ist das selbstverständlich: sich im T-Shirt ans Klavier zu setzen und eigene, einfache Songs zu spielen, inspiriert von der Popmusik, mit der sie aufgewachsen ist. Das ist weder Klassik noch Rebellion. Punk ist das höchstens in den Ohren alter Operngängerinnen und -gängern, wenn so ein Musiker dann in der Elbphilharmonie auftreten darf. In der Jazzmusik ist es fast die Regel, andere Stilelemente zu integrieren. Was uns verbindet: Wir machen alle instrumentale Musik jenseits von Genregrenzen und treffen damit offenbar einen Nerv.
Auf «Borderland» verschmelzen Klavier und Schlagzeug. Wie habt ihr das erreicht?
Ein dichter, fliessender, orchestraler Klang liegt schon in unserer Natur. Ich spiele gerne mehrschichtige, polyrhythmische Patterns und verwende viel Pedal. Jonas hat ein lang klingendes Schlagzeug und spielt oft das ganze Set, wobei seine dröhnenden Becken mit meinen Obertönen verschmelzen.
Was kann ein altersschwaches Klavier, das ein neuer Flügel nicht kann?
Was kann eine alte Dame, das ein Teenie nicht kann? Ihr Gesicht und ihre Stimme erzählen Geschichten. Dafür knackt es in den Gelenken und es dauert eine Ewigkeit, bis sie aus ihrem Stuhl aufgestanden ist. That’s the deal! Alten Klavieren sind oft charakterreiche Obertöne eigen, ein langer Nachklang mit viel Eigenleben, in dem ein einzelner Ton eine ganze Reise macht.
Was gefiele Chopin an eurem Stück «Chopin Space Station»?
Wahrscheinlich gefiele es ihm gar nicht, das pure Chaos in seinen Ohren. (lacht)
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