
Partitur- und Skizzenausschnitte von Claus-Steffen Mahnkopf, Georg Friedrich Haas, Adriana Hölszky und Luciano Berio. Foto: Betty Fleck © ZHdK
Jörn Peter Hiekel, was ist ein Polywerk?
Der Begriff Polywerk ist im Diskurs über Musik relativ neu. Er dreht sich um eine faszinierende Idee, die im Gesamtgefüge der Gegenwartsmusik eine erhebliche Rolle spielt. Im Kern geht es dabei um Gruppen von Einzelwerken, die zwar jedes für sich stehen, darüber hinaus aber auch in einer simultanen beziehungsweise vertikalen Form miteinander verbunden werden können. Europäische Komponistinnen, aber auch Komponisten weltweit haben dieses Prinzip aus unterschiedlichen Beweggründen und oft unabhängig voneinander verwendet, um damit den uralten Gedanken der Polyphonie neu zu beleben – man spricht in diesem Zusammenhang auch von Formpolyphonie. In unserem Forschungsprojekt «Konzepte des Polywerks in der Musik des 20./21. Jahrhunderts» soll nun erstmals in umfassender Weise (und natürlich auf der Basis eingehender Analysen und Reflexionen) erörtert werden, wie die unterschiedlichen Strategien, die mit dem Begriff Polywerk angemessen zu fassen sind, aussehen und welche Fragen und Einsichten auch grundsätzlicher Art sich aus einem Vergleich ergeben. Die Beschäftigung mit Polywerken sucht insofern zugleich auch die – oft nur unzureichend beachtete – Kategorie der Form in der Gegenwartsmusik neu zu beleuchten.