Protagonistin der aktuellen Ausstellung im Museum für Gestaltung ist die Treppe. Schon von Weitem ist sie zu sehen, gross und farbig ragt sie in die Höhe und lädt zum Verweilen ein. Sie ist das Herzstück der Ausstellung «Design Studio: Prozesse», die das Vermitteln und das Ausstellen zusammenbringt. Die Vermittlung läuft dabei nicht einseitig, sondern entsteht durch Austausch und Auseinandersetzung.

VON MIRJAM STEINER
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14 Stufen in den leuchtenden Farben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz in Sichtachse zum Eingang – die Treppe ist prominent platziert und nimmt viel Raum ein. Rund ein Viertel des Ausstellungsraums wird von ihr bespielt. In ihren Seitenwänden birgt sie Vitrinen, Magnet­wände, Regale und Materialboxen, vor ihr sind Tische und Bänke gruppiert, die je nach Bedarf umplatziert werden können. Das Ensemble aus unterschiedlichen Elementen und variabel einsetzbaren Einzelteilen bildet eine offene Werkstatt, die das Publikum zum Selbermachen und Experimentieren einlädt.

Die Treppe in den Farben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz prägt die Ausstellung. Bild: © Museum für Gestaltung

In Bewegung

Wo eine Treppe ist, da lässt man sich nieder. Treppen sind nicht nur vor Kirchen, Amtsgebäuden oder in Gartenanlagen beliebte Aufenthaltsorte, auch in Innenräumen verlocken sie Menschen dazu, auf ihren Stufen Platz zu nehmen. Treppen laden dazu ein, sie zu beschreiten und neue Ausblicke zu erhaschen. Tatsächlich soll die Treppe im Museum für Gestaltung den Besucherinnen und Besuchern «einen Perspektivenwechsel ermöglichen und zentraler Treffpunkt sein, an dem sich das Nachdenken über die Ausstellung auch räumlich manifestiert», wie Angeli Sachs, Kuratorin der Ausstellung, erläutert. So, wie die Treppe Bewegung verlangt und stufenweise erklommen werden will, so dynamisch soll auch die Vermittlung sein. «Wir möchten mit unserem Vermittlungsangebot Vorschläge machen und Impulse geben, das Publikum nicht einfach informieren, sondern es entdecken lassen», betont Franziska Mühlbacher, Kuratorin Vermittlung. Konkret bedeutet dies, dass das Publikum zum Mitmachen und Ausprobieren vor Ort eingeladen wird. Aus diesem Grund beinhalten die Kästen und die Regale nicht nur erläuternde Videos und vertiefende Lektüre, sondern auch ein von Zeit zu Zeit wechselndes Angebot an Aufgaben, die das Publikum auf eigene Faust lösen kann: Welche Methoden können zur Formfindung angewandt werden? Welche Zwischenschritte sind nötig, um von der Idee zum fertigen Objekt zu gelangen? Welche Rolle spielt das verwendete Material? Deshalb stehen in der Ausstellung sowohl für die unbegleiteten Vermittlungsangebote als auch für die zahlreichen Workshops, Führungen und Exkursionen unter Anleitung immer genügend unterschiedliche Materialien wie Holz, Papier, Draht und Veloschläuche sowie entsprechende Werkzeuge zur Verfügung. Auf den Moodboards und der Wandtafel kann entworfen und skizziert werden. Wer noch auf der Suche nach theoretischen Inputs ist, macht es sich auf der Treppe bequem – sei dies an einer Audiostation auf dem obersten Treppenabsatz, auf einer Stufe mit einem passenden Buch aus dem Regal oder vor einem iPad, das Zugang zum E-Museum gewährt. Und an den Arbeitstischen wird konkret Hand angelegt.

Die Ausstellung von der Treppe aus gesehen. Foto: Museum für Gestaltung

Die Ausstellung wächst

Die angefertigten Skizzen und ausgearbeiteten Objekte können anschliessend in den Vitrinen und Setzkästen ausgestellt werden. Die offene Werkstatt wird so zu einem Ort des Austauschs: Die Vermittlung verläuft nicht einfach in eine Richtung, sondern die Reaktionen, Erfahrungen und Experimente der Besucherinnen schreiben die Ausstellung fort und hinterlassen ihre Spuren im Museumsraum. Die Besucherexponate gesellen sich zu den Arbeiten der Ausstellung, die historische und zeitgenössische Sammlungsbestände und Positionen mit Fokus auf Entwurfs- und Produktionsprozesse präsentiert und danach fragt, wie sich Design und die Rolle des Designers verändern. Die handgewobenen Dekorationsstoffe des Arts & Crafts-Vordenkers William Morris, die Tintenklecksstrukturen der Schweizer Schuhdesignerin Anita Moser, die nachhaltig produzierten und ökologisch abbaubaren T-Shirts und Hosen aus der Serie F-ABRIC der Gebrüder Freitag treten so in einen Dialog mit den Beiträgen der Ausstellungsbesuche­rinnen. Und dies verspricht interessante Entdeckungen: Man darf gespannt darauf sein, was das Design der Zukunft bringen und wie sich die Schau unter der Beteiligung der Besucher stetig verändern wird. Wiederkommen ist ausdrücklich erwünscht!

Design Studio: Prozesse
25. August 2017 bis 14. April 2019
Museum für Gestaltung, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, Zürich
Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr
www.museum-gestaltung.ch
Vermittlungsprogramm

Vernissage: Donnerstag, 24. August 2017, 19 Uhr

Mirjam Steiner (mirjam.steiner@zhdk.ch) ist Literatur- und Kunstwissenschaftlerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachrichtung Interaction Design der ZHdK.
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