Kunstprojekte in Konfliktregionen

«OFF/LINE: What can art do in Zemo Nikozi?» (2016), Intervention im öffentlichen Raum von Benjamin Egger. Foto: Marcel BleulerKeramikworkshop von Irene Jibuti (Tiflis) in der Kunstschule, Tskaltubo 2016. Foto: Frank Ellenberger «OFF/LINE: What can art do in Zemo Nikozi?» (2016), Abschlusspräsentation. Foto: Linda Pfenninger«OFF/LINE: What can art do in Zemo Nikozi?» (2016), Workshop-Raum. Foto: Marcel BleulerWorkshop in Georgischem Volkstanz für Kunstschaffende und Organisierende aus der Schweiz, Tskaltubo 2016. Foto: Frank Ellenberger

Kunstprojekte in Konfliktregionen

Am 3. Februar 2017 startet der erste Durchgang des CAS Arts and International Cooperation. Das Weiterbildungsangebot soll Teilnehmende dazu befähigen, internationale künstlerische Zusammenarbeiten in fragilen Kontexten und in Konfliktsituationen aufzuziehen. ANDREA ZELLER sprach mit Marcel Bleuler, dem Leiter des Weiterbildungsangebots.
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Andrea Zeller: In welchen Bereichen sind Personen tätig, die ihr für den CAS Arts and International Cooperation ansprechen möchtet?
Marcel Bleuler: Unser Zielpublikum sind einerseits Personen, die in der internationalen Zusammenarbeit tätig sind und sich in Ländern engagieren, die mit Armut, Konflikten oder politischer Instabilität konfrontiert sind. Anderseits sprechen wir mit dem Angebot Kunstschaffende an, die Projekte in fragilen Kontexten verwirklichen möchten. Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanziert zudem drei Studienplätze für Kunstschaffende aus dem Globalen Süden und Osten*. Im Rahmen ihres Kulturprozents fördert die DEZA eine Professionalisierung der künstlerischen Arbeit in diesen Regionen. Für unseren Kurs ist diese Unterstützung eine Chance, da sie eine Durchmischung der Studiengruppe sicherstellt.

Was sind die Ziele der Weiterbildung?
Die Teilnehmenden sollen ein Bewusstsein für die Implikationen der künstlerischen Arbeit in fragilen Kontexten entwickeln. Wir gehen zum einen auf zentrale Paradigmen wie Konfliktsensitivität, Kontextanalyse, partizipative Projektentwicklung und interkulturelle Kommunikation ein. Zum anderen vermitteln wir einen systematischen Zugang zur Durchführung von Projekten. Was ist am vorgesehenen Ort überhaupt möglich? Wie kann man Zielsetzungen differenziert formulieren und zugleich eine Prozessoffenheit erreichen? Wo entsteht Konfliktpotenzial?

Wie kann ich mir ein Projekt in einer Konfliktregion vorstellen?
Ein Beispiel ist das «Tskaltubo Art Festival», das seit 2013 im georgischen Dorf Tskaltubo stattfindet. Dort leben viele Vertriebene aus Abchasien. Kunstschaffende aus Georgien und dem Ausland entwickeln mit lokalen Kunstinitiativen und Schulen das Festivalprogramm. Sie führen gemeinsam Workshops durch, etwa Tanz- oder Keramikkurse oder Lesungen und Diskussionsrunden. Diese richten sich an alle Bewohnerinnen und Bewohner, ungeachtet ihres Hintergrundes. Ziel sind die künstlerische Begegnung sowie der Austausch zwischen ihnen und den Kunstschaffenden, die von aussen kommen.

Ein weiteres Projekt ist «OFF/LINE». Dabei handelt es sich um einen zweiwöchigen Workshop in Zemo Nikozi, einem Dorf direkt an der Demarkationslinie zu Südossetien, das vom Krieg 2008 besonders hart betroffen war. Elf Kunstschaffende aus Westeuropa und elf aus Georgien setzten sich mit der Region auseinander und erörterten mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, was Kunst in der spezifischen Situation zwischen allmählicher Nachkriegsrehabilitation und eingefrorenem Konflikt tun kann.

Welchen Mehrwert bringen solche Kunstprojekte?
Diese Art der künstlerischen Zusammenarbeit orientiert sich nicht an wirtschaftlichen Interessen. Sie öffnet Horizonte und schafft ein Bewusstsein für andere Lebensperspektiven und anders geprägte Zugänge zu Kunst. Sie regt einen kulturellen Dialog an und unterstützt so auch eine gesellschaftliche Öffnung. Dies hat sowohl einen Effekt auf die lokalen Teilnehmenden als auch auf die internationalen Kunstschaffenden, die dabei ihr Verständnis von Kunst erweitern.

Welche Risiken gibt es in diesem Feld?
Oft wird der Vorwurf der Ausbeutung – Exploitation – laut. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass sich Beteiligte ihrer Eigenmotivation bewusst sind. Kunstschaffende müssen kritisch hinterfragen, weshalb sie ein solches Projekt verwirklichen möchten und was sie sich davon erhoffen. Eine wichtige Frage ist, was man nach Beendigung eines Projektes zurücklassen will oder kann. Dieses Reflektieren ist ein zentraler Aspekt von jedem Projekt und wird im CAS stark gefördert.

 

*«Globaler Süden und Osten» bezieht sich auf Länder, die nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen westlicher Industrienationen entsprechen und oftmals mit hoher Armut, Marginalisierung und Instabilität konfrontiert sind.

Marcel Bleuler (*1980) ist Projektleiter bei «artasfoundation», der MArcel-Bleuler_webSchweizer Stiftung für Kunst in Konfliktregionen, und Postdoc-Researcher am Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft & Kunst der Universität Salzburg/Kunstuniversität Mozarteum. 2013 promovierte er mit Schwerpunkt in Performance und Media Studies am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern, Abteilung Moderne und Gegenwart. Marcel Bleuler forschte während einer einjährigen Fellowship am Carpenter Center for the Visual Arts der Harvard University.
Der CAS Arts and International Cooperation entstand aus dem dreitägigen Practitioners Forum «Art in Conflict», das 2015 in Zusammenarbeit mit «artasfoundation», der ZHdK und der DEZA stattfand. Internationale Praktikerinnen und Praktiker aus der Kunst und der internationalen Zusammenarbeit unterrichten in diesem Weiterbildungsangebot, das vom Zentrum Weiterbildung der ZHdK und «artasfoundation» angeboten wird.

Anmeldeschluss: 27. November 2016

Weitere Informationen

Andrea Zeller war Projektleiterin in der Hochschulkommunikation der ZHdK.
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