
Eindrücke aus Luandas Musekes. Filmstills: Bitten Stetter © ZHdK
Francis Müller, was sind Musekes?
Musekes bedeutet in der Bantusprache Kimbundu so viel wie «sandiger Ort», womit die nicht asphaltierten, informellen Viertel in Luanda in Angola bezeichnet werden. In den Musekes sind die Gegensätze sehr ausgeprägt. Menschen verschiedenerer sozialer Klassen, Religionen und Ethnien leben räumlich sehr nahe, aber mental kosmisch weit voneinander entfernt. Die Menschen sind deshalb ständig mit anderen Weltdeutungsschemata und alternativen Lebensstilen konfrontiert, was Kontingenzbewusstsein und Kreativität begünstigt. Folglich haben sie oftmals individualistische Werte und sie üben kreative Mikropraktiken aus – auch wenn sie in bitterer Armut leben. Ein Beispiel dieser Kreativität ist Kuduro; ein Tanz, der in den 1990er-Jahren in den Musekes entstanden ist. Kuduro bedeutet «harter Hintern» und bezieht sich auf eine Filmszene mit Jean-Claude van Damme, in der dieser mit zwei Frauen tanzt und mit der Hüfte wackelt. Diese Bewegung wurde imitiert. Kuduro wird von Tretminenopfern und Polio-Erkrankten getanzt, zugleich imitieren körperlich Unversehrte die spastischen Bewegungen von Menschen mit Behinderung. Kuduro basiert auf Imitation und Mimikry der lebensweltlichen Realität. Das «looking-glass self» von Charles Horton Cooley nimmt im Tanz eine kulturelle Form an.
Der ethnografische Bericht «Mit Behinderung in Angola leben. Eine ethnografische Spurensuche in einer von Tretminen verletzten Gesellschaft» wird eingeleitet durch eine Fotostrecke, in welcher der Angolaner Domingos Joao Pecho Bernardo seinen Alltag porträtiert, und ergänzt durch Beobachtungen von Bitten Stetter.