«Ich bin wüüüüüüüütend. Was ist das wieder für ein Quatsch «radikale Künstler». Wenn ich ein Künstler wäre und mein Name würde andauernd lächerlich gemacht durch schreien, quitschen, heulen, schmieren und und drucken, so würde ich dem Urheber Lehm in’s Maul stopfen und in die Finger beissen, dass er es nicht mehr kann. Es kommt nur auf die Arbeit an, diese Art zu manifestieren ist mehr als blöd. Reklame ist berechtigt, wenn man Geld verdienen will, aber dann ganz anders. Es interessiert keinen Menschen, wenn man andauernd so auf seiner Eitelkeit herumhopst. Janco wird immer geschmackloser. Frage ihn bitte ordentlich und genau, welche Wirkung er sich von dem Zeug verspricht und schreibe es mir. Dada ist etwas anderes, da sieht man doch was ihr macht und jeder mag denken was er will. Aber den Menschen mit solchem Kohl imponieren wollen! Er soll unbedingt und sofort Plakätlitiger bei den Spartakisten werden, mit Kunst hat das nichts zu tun. Du und Giacometti solltet Euch wirklich nicht aus Gutmütigkeit überall rumziehen lassen. Radikal, wie blöd, man könnte es übersetzen mit Unverstand. Du lachst sicher über meinen Ärger und sagst es lohnt sich nicht so viel davon aufzuwenden. Ich habe mich schon immer geärgert, wenn man Deinen Namen für aufgeblasene Eitelkeit benutzt hat, dazu bist Du 100mal zu gut.»

Der zitierte Brief von Sophie Taeuber-Arp an Hans Arp aus Arosa vom 4. Mai 1919 befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich und wurde in folgender Publikation wiedergegeben: Sigrid Schade, Medea Hoch, Walburga Krupp: Zum künstlerischen Werdegang und Selbstverständnis Sophie Taeuber-Arps. Eine erste Lektüre ihrer Briefe aus den 1910er Jahren. In: Sophie Taeuber-Arp – Heute ist Morgen, herausgegeben von Aargauer Kunsthaus und Kunsthalle Bielefeld, 1. Auflage, Scheidegger & Spiess, Zürich 2014, S. 259–269
Postkarten und andere schriftliche Selbstzeugnisse von Sophie Taeuber-Arp werden derzeit am Institute for Cultural Studies in the Arts der ZHdK im Projekt «Sophie Taeuber-Arp Edition. Konstruktionen von Künstlerschaft und Kreativität in Selbstzeugnissen Sophie Taeuber-Arps» erforscht.
www.zhdk.ch/ics
Caroline Süess ist Leiterin PR und Medien in der Hochschulkommunikation der ZHdK.
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