«Making a Living from the Arts»
Rede von ZHdK-Rektor Thomas D. Meier zur Diplomausstellung
Die Diplomausstellung im Juni markiert alljährlich einen Höhepunkt an der ZHdK. Im Vorfeld dazu entfachte sich dieses Jahr eine Debatte über protestbedingte Interventionen im Toni-Areal, die Reaktion der Hochschulleitung darauf und das Verhältnis von Kunst und Markt im Allgemeinen. ZHdK-Rektor THOMAS D. MEIER ging in seiner Rede, mit der er am 9. Juni 2016 die Diplomausstellung eröffnete, darauf ein. Im Folgenden die leicht gekürzte Rede.
Liebe Diplomandinnen und Diplomanden, liebe Gäste,
liebe Angehörige der ZHdK
Während ich mit dieser Rede die Diplomausstellung der ZHdK eröffne, hat einen Stock weiter oben, im Grossen Konzertsaal, soeben Rebecca Lienhart ihr Diplomkonzert in Sologesang beendet. Um 20 Uhr startet dort mit Isabel Pfefferkorn eine weitere Solosängerin in ihre berufliche Zukunft.
Um 18 Uhr lädt der Master Art Education auf der Brücke zum Turm zur Veröffentlichung seiner Diplompublikation, und um 19.30 Uhr gibt es im siebten Stock arrangierte Stücke von Johann Sebastian Bach bis James Bond zu hören, eine Diplomprüfung im Bereich solistische Gestaltung des Masters Music Pedagogy mit den Diplomandinnen Regula Arpagaus und Céline Stucki.
Und das sind lediglich die ZHdK-Diplomveranstaltungen, die heute Abend im Toni-Areal Aufmerksamkeit verlangen. Daneben laufen in- und ausserhalb des Toni-Areals weitere Konzerte der Hochschule, eine Theateraufführung sowie eine Filmvorführung.
Hier soll es nun um die Eröffnung der Diplomausstellung gehen, des grössten Einzelanlasses unter den Diplomveranstaltungen der ZHdK. Dieses Jahr werden Abschlussarbeiten von 181 Bachelor- und Master-Studierenden aus Design, Art Education, Kunst & Medien und Szenografie gezeigt. Die Ausstellung ist auf fünf Stockwerke verteilt und zeigt das Resultat dessen, was die Studierenden der ZHdK in den Bereichen Fine Arts, Design, Szenografie und Vermittlung von Kunst und Design in den letzten drei Jahren erarbeitet haben. Präsentiert werden zudem die Abschlussarbeiten der Weiterbildungsangebote in Curating sowie Digital Typography.
Das Umfeld im Kunstbetrieb ist kompetitiv und man muss sich darin mit ausgeprägter Eigenständigkeit eine Position erarbeiten.
«What’s next» für die Diplomandinnen und Diplomanden? Wir wissen, dass es bei Absolventinnen und Absolventen aus den Künsten und dem Design etwas länger dauert, bis sie einen signifikanten Anteil ihres Einkommens über das verdienen, womit sie sich hier beschäftigt haben. Erstaunlich ist diese Verzögerung nicht. Das Umfeld ist kompetitiv und man muss sich darin mit ausgeprägter Eigenständigkeit eine Position erarbeiten. Das braucht Stehvermögen und Zeit. Immerhin wissen wir auch, dass sich die genannten Unterschiede zu den Absolventinnen und Absolventen anderer Hochschulstudiengänge ein paar Jahre nach Studienabschluss weitgehend nivellieren.
Das Verhältnis von Kunst und Markt, und auf den begeben sich die meisten Diplomandinnen und Diplomanden nun vollends, wird nicht nur hier bei uns, sondern auch international kontrovers und zuweilen emotional diskutiert.
Diversität ist ein weiteres Merkmal in den Tätigkeiten unserer Absolventinnen und Absolventen. Mischerwerb in (Teil-)Anstellungen, durch Engagements, Projekte, Kulturförderung und die Weiterentwicklung der eigenen Arbeit sind die Regel. Einige gründen Firmen oder setzen das, was sie hier gelernt haben, in nicht künstlerischen Arbeitsfeldern ein. Das ist nicht negativ zu bewerten. Wir sind eine Hoch- und keine Berufsschule. Bildung ist uns ebenso wichtig wie Ausbildung.
Das Verhältnis von Kunst und Markt, und auf den begeben sich die meisten Diplomandinnen und Diplomanden nun vollends, wird nicht nur hier bei uns, sondern auch international kontrovers und zuweilen emotional diskutiert. In einem solchen Zusammenhang steht zumindest teilweise auch das, was in den letzten Tagen und Wochen hier im Haus geschehen ist. Wir sind aktuell bekanntlich in den Medien wegen protestbedingter Interventionen am Gebäude und wegen der Reaktion der Hochschulleitung auf diese Interventionen. Aus aktuellem Anlass erlaube ich mir einen Exkurs zum Thema. Wir sind mit einer liberalen Haltung zur Bespielung der Wände im Toni gestartet. Diese Woche haben wir nun erstmals unterbunden, was wir als nicht mehr akzeptabel bewerten. Wir müssen Sorgfalt einfordern können im Umgang mit Dingen, die uns nicht gehören. Und wir müssen verlangen können, dass Respekt den Umgang mit Mitstudierenden und anderen Angehörigen der ZHdK prägt. Beides war nicht mehr gegeben und wir haben deshalb ein Moratorium für solche Interventionen erlassen. Ein Moratorium ist dazu da, wieder aufgehoben zu werden. Wir sind aktuell in einen Prozess, in dem wir gemeinsam mit den Studierenden neue verbindliche Spielregeln für das Arbeiten hier im Haus definieren wollen. Einen ersten wesentlichen Schritt haben wir gestern getan.
Unsere Arbeit zielt auf eine qualitätvolle Forschung und Lehre in den Künsten, im Design und in der Vermittlung.
Zurück zum Thema: Ein Satz in der Stellungnahme der Studierendenorganisation zu den Geschehnissen passt zur oben erwähnten Debatte zu Kunst und Markt. Wir lesen da: «Dass diese Vorkommnisse nicht gleichermassen als das gelesen werden, was sie ebenfalls sind, nämlich als aktive Beteiligung an der Verhandlung über die Bedingungen einer Kunsthochschule mit kreativwirtschaftlicher Ausrichtung und Zielsetzung, ist zu bedauern.» Die Art der Beteiligung an der Verhandlung bleibt meines Erachtens fragwürdig. Ich wüsste auch nicht, wie sie produktiv zu machen wäre für die Debatte. Zum Thema selber leiste ich gerne einen Beitrag: Wir haben als Bildungsinstitution keine primär «kreativwirtschaftliche Ausrichtung und Zielsetzung». Unsere Arbeit zielt auf eine qualitätvolle Forschung und Lehre in den Künsten, im Design und in der Vermittlung. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass unsere Absolvierenden sich nicht in einem ökonomiefreien Raum bewegen werden. In einer Forschungsinitiative, die wir gemeinsam mit der ETH und der Universität St. Gallen betreiben, versuchen wir, diesen ökonomischen Raum und seine Gestaltbarkeit – mit durchaus kritischem Blick – zu erforschen, um ihn besser verstehen zu können. Und dieses bessere Verständnis geben wir an unsere Studierenden weiter. Insofern prägen die Eigenheiten des genannten ökonomischen Raums auch einen Teil unserer Angebote. «Making a Living from the Arts» – darum geht es letztlich. Und so heisst auch ein grosses von der EU finanziertes Projekt von ELIA, der europäischen Organisation der Kunsthochschulen, die ich aktuell präsidiere. Den Kern, Eigenständigkeit und Qualität im Fach, geben wir dabei keineswegs auf. Wer in den Künsten und im Design bereits während des Studiums vor allem auf den Markt schielt, wird nicht reüssieren. Davon bin ich überzeugt.
«Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich auch selbst zu Markte trägt. Wo eben auch Kunst gegen Kapital getauscht wird.» Christian Jankowski
Interessant ist in diesem Zusammenhang Christian Jankowski, Künstler und Kurator der Manifesta 11, die in einer ähnlich motivierten Kritik steht wie die ZHdK. Jankowski hat die Zürcher Fassung dieser Biennale für zeitgenössische Kunst unter den Titel «What People Do for Money» gestellt. Er ist selber Künstler und Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. In einem Interview wurde er gefragt, wie stark der künstlerische Erfolg von der Selbstvermarktung des Künstlers oder der Künstlerin abhängig sei. Er antwortete: «Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich auch selbst zu Markte trägt. Wo eben auch Kunst gegen Kapital getauscht wird. Der Kunstmarkt ist ein ganz normaler Markt. Das klingt vielleicht erst mal anrüchig – aber wenn man vorbehaltlos draufschaut, ist Selbstvermarktung nichts Schlechtes.» Das kann nun erneut zu einem fundamentalistischen Aufschrei führen. Es kann aber auch in provokativer Zuspitzung unsere Debatten produktiv machen. Und auch Jankowski antwortet auf die Frage, was er seinen Studierenden vor diesem Hintergrund rate: «Ich sage ihnen, sie müssen ein gutes Kunstwerk abliefern, sonst ist die Chance, davon leben zu können, äusserst gering.» Das heisst: Auf dem sogenannten Markt geht es nicht darum, sich billig zu verkaufen und die eigenen Werte preiszugeben, sondern um den genuin künstlerisch-gestalterischen Anspruch, wahrgenommen zu werden. Dafür muss das eigene Produkt gut sein, und Voraussetzung für die adäquate Wahrnehmung ist eben die Ernsthaftigkeit des eigenen Tuns.
Auf dem sogenannten Markt geht es nicht darum, sich billig zu verkaufen und die eigenen Werte preiszugeben, sondern um den genuin künstlerisch-gestalterischen Anspruch, wahrgenommen zu werden.
Die zunehmende Ökonomisierung der Kultur ist eine bedenkenswerte Tatsache. Als globaler Megatrend tangiert das Primat der Ökonomie jedoch nicht allein die Kultur. Betroffen sind sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche. Der Umgang damit muss demzufolge auch ein gesamtgesellschaftlicher sein.
Liebe Diplomandinnen und Diplomanden
Die Diplomausstellung ist nicht in erster Linie eine Schau der ZHdK, sondern primär Ihre ganz persönliche. Wir haben zwar Anteil an dem, was zum Schluss vorliegt, die Leistung ist trotzdem die Ihre. Ein Studium bei uns zeichnet sich nicht dadurch aus, dass Ihnen die Institution einfach beibringt, Künstler, Designerin oder Vermittler zu werden. Diesen Weg gehen Sie selbstständig, eigenverantwortlich und Ihr ganzes Leben lang. Wir haben Sie auf einem kurzen und, wie wir glauben, wichtigen Wegstück begleitet, Sie unterstützt, angeregt, hoffentlich produktiv kritisiert, gefordert und ermutigt. Als Rektor der Hochschule, an der Sie studiert haben, freue ich mich über das, was heute vorliegt, und ich gratuliere Ihnen dazu. Ihr Engagement, Ihre Energie, Ihr Wollen und Ihr Können sind Voraussetzungen für die Berufswege und Laufbahnen, die Sie gewählt haben. Von ihnen profitieren jedoch auch wir als Institution. Ihre Leistungen geben uns letztlich unser Gesicht und unsere Berechtigung. Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Weg viel Erfolg. Unsere Gesellschaft braucht gute Künstlerinnen, Gestalter und Vermittlerinnen. Wir werden Ihren weiteren Werdegang mit Neugier und Interesse verfolgen.