Interview mit Spieleentwicklerin Tabea Iseli
Das Game «Cloud Chasers», das sich aus der Perspektive eines Kindes mit Migration befasst, vermischt Realität und Fiktion virtuos und hat international grosse Aufmerksamkeit erregt. Warum auch Serious Games Spass machen sollten, erklärt Tabea Iseli. Die Game-Design-Absolventin der ZHdK war bei Blindflug Studios für die Entwicklung des preisgekrönten Games verantwortlich.
VON MAIKE THIES
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Maike Thies: Wovon erzählt «Cloud Chasers»?
Tabea Iseli: Das Spiel erzählt die Geschichte des Bauern Francisco und seiner Tochter Amelia. Die beiden leben in einer Welt – durchaus inspiriert von der unsrigen –, in der die Privilegierten den Boden des Planeten verlassen haben und in schwebenden Städten leben. Diese Inselkolonien ernten die Wolken am Himmel ab, wodurch der Regen am Boden immer häufiger ausbleibt. Francisco muss deshalb seine Farm aufgeben und hofft nun, in die Stadt The Spire zu gelangen. The Spire ist das Bindeglied zwischen der unteren und der oberen Welt. Die Spielerin oder der Spieler begleiten Francisco und Amelia auf ihrer Reise.
Was gab den Ausschlag für die Entwicklung des Spiels?
Nach dem Update unseres Debüts «First Strike» entschieden wir uns im Sommer 2014, ein neues Projekt anzugehen. Der Bürgerkrieg in Syrien hatte gerade einen tragischen Höhepunkt erreicht und die Berichterstattung darüber beherrschte die Medien. Gleichzeitig spielten sich aber auch Flüchtlingsdramen im Mittelmeerraum ab, über die kaum berichtet wurde. Daher beschlossen wir, uns mit diesen intensiver zu beschäftigen. Wir waren überzeugt, dass die Flüchtlingsthematik die Welt in den kommenden Jahren immer stärker beschäftigen wird, hatten aber nicht damit gerechnet, dass die Zahl der Flüchtlinge im Sommer 2015 – nur einige Wochen vor der Veröffentlichung von «Cloud Chasers» – derart massiv anwachsen würde.

Amelia kämpft gegen die Wolkenerntemaschinen. Szene aus «Cloud Chasers». Bild: © Blindflug Studios AG
Was zeichnet das Spiel aus Sicht des Game Designs besonders aus?
Bei «ernsten Spielen» tritt der Spielspass angesichts der zu vermittelnden Thematik oft in den Hintergrund. Blindflug Studios ist es sehr wichtig, sich von ernsten Themen inspirieren zu lassen und daraus eine solide Game-Mechanik zu entwickeln, die auch Spass macht und unterhält. Ohne Spass wird das Spiel schnell zur Seite gelegt und die Botschaft erreicht die Spielenden kaum.
Wie würdest du die Ästhetik und das Spielerlebnis beschreiben?
Das Thema Migration ist mit einer eher düsteren Ästhetik verknüpft, von der wir uns aber gezielt abgrenzen wollten. Die Spielerin, der Spieler erlebt die Handlung durch Amelias Augen. Daher sieht vieles im Spiel viel farbiger und fröhlicher aus, als es ihr Schicksal vermuten liesse. Diese Designentscheidung wird von den Spielerinnen und Spielern sehr geschätzt. Uns haben die vielen positiven Rückmeldungen von Eltern, die das Spiel mit ihren Kindern gespielt haben, überrascht. Es ist ruhig, gewaltlos und bietet mit der Vielzahl an eingebetteten Kurzgeschichten eine gute Grundlage, um das Thema einem jüngeren Publikum näherzubringen.
Dein Lieblingsmoment im Spiel?
Mein persönliches Highlight sind die über zweihundert lustigen und sehr liebevoll gestalteten Unterhaltungen zwischen Francisco und Amelia. Bei so vielen schönen Momenten kann ich mich nicht auf einen einzelnen festlegen.

Das Team von Blindflug Studios mit Tabea Iseli. Bild: © Blindflug Studios AG
Blindflug Studios «Cloud Chasers» wurde von Blindflug Studios, einem 2014 gegründeten Zürcher Indie-Game-Studio, entwickelt. Sein Credo ist es, innovative, unterhaltsame Spiele zu entwickeln, die sich mit komplexen und ernsten Themen dieser Welt befassen.