Das ivorisch-deutsche Theaterensemble Gintersdorfer/Klassen macht sich mit einer ganz eigenen Form politischen Theaters fünf Tage lang in der Kaskadenhalle des Toni-Areals breit. JUDITH HUNGER stellte Knut Klassen ein paar Fragen, er antwortete prompt und stellt dabei das eigene Manifest in den Vordergrund.

Judith Hunger: Wie ist eure Verbindung zur Elfenbeinküste entstanden und welche künstlerischen Überlegungen haben sie geprägt?
Knut Klassen: In Hamburg haben wir Shows ivorischer Couper Decaler Stars gesehen und eine Zusammenarbeit mit Franck E. Yao alias Gadoukou la Star begonnen. Er hat uns mit der ivorischen Szene in Paris und in Abidjan in der Elfenbeinküste in Verbindung gebracht. Neben den stilprägenden Einflüssen aus Gesang, Animation und Tanz haben wir uns mit der politischen Situation im Land beschäftigt, von der Rebellion 2002 bis zur postelektoralen Krise 2010/11 und dem Prozess gegen den Expräsidenten Laurent Gbagbo am Internationalen Strafgerichtshof. Showbiz, Religion und Politik als gesellschaftsbestimmende Grössen in einem transnationalen Austausch sind unsere Hauptthemen. Dazu gehört auch die Erschaffung künstlerischer Hybride.

Was können deutsche Theaterschaffende von ivorischen Showbizzstars lernen?
Freie Rede und direkte Kommunikation mit dem Publikum, angstfreier Auftritt, Aufwertung und physische Präsenz – aber diese Qualitäten sind natürlich nicht nach Nationen verteilt – klar, gibt es auch deutsche Theaterschaffende, die zum Beispiel blendend frei sprechen und angstfrei auftreten.

Wie positionieren sich die ivorischen Künstlerinnen und Künstler den europäischen Traditionen gegenüber?
Individuell verschieden – es hängt davon ab, auf welche Phänomene wir referieren, deutscher Punk oder Sigmund Freud oder etwas anderes, das müsste man von Fall zu Fall diskutieren. Unser Manifest sagt eigentlich (fast) alles und bringt unsere Herangehensweise auf den Punkt.

Manifest Gintersdorfer/Klassen Manifesto – Baoumm – you are not alone!
Monika Gintersdorfer
«Wir halten die Sachen technisch einfach – so können wir den letzten Zug vor der Show nehmen. Wir kämpfen für die maximale Bezahlung für unsere Performer, da in Deutschland freie Produktionen oft als arme Produktionen behandelt werden. Wir versuchen glamourös zu sein, um das Gefühl von Armut zu überwinden. Es gibt weder eine perfekte Länge noch eine perfekte Dramaturgie bei Stücken, die wir machen. Wir produzieren schnell und laden andere Künstler direkt dazu ein (Selbstkuratierung). Wir versuchen uns der Kontexte, in denen wir arbeiten, bewusst zu sein und sie möglichst oft zu wechseln. Die Stücke sollen nicht unbedingt lange Zeit bestehen bleiben, wir arbeiten in Serien, die immer weitergehen. Die Performer sollten wissen, wie sie unsere Arbeiten für sich selber nutzen. Zum Beispiel gehört ihnen die Kleidung der Shows. Es gibt nichts Symbolisches, Parodistisches oder Illusionistisches in unserer Arbeit, aber wir sagen nicht immer die blosse Wahrheit.»
Gintersdorfer/Klassen an der ZHdK
Donnerstag, 14. April, bis Dienstag, 19. April 2016
Kaskadenhalle, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, Zürich
Eintritt frei
Judith Hunger (judith.hunger@zhdk.ch) ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Departements Darstellende Künste und Film.
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