Schwanensee im Opernhaus Zürich
Mit Schülerinnen und Schüler der Tanz Akademie Zürich
VON SANDRA NUSSBERGER
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Pjotr I. Tschaikowskis «Schwanensee» ist ein Klassiker des Balletts, in dem eine verzauberte Schwanenprinzessin nur durch wahre Liebe aus dem Bann des bösen Zauberers erlöst werden kann. Der russische Choreograf Alexei Ratmansky hat die Ursprungsfassung von 1895 als tragische Beziehungsgeschichte mit dem Ballett Zürich rekonstruiert und im Februar 2016 im Opernhaus Premiere gefeiert. Mit dabei waren Schülerinnen und Schüler der Tanz Akademie Zürich (taZ).
«Ich finde es grossartig, dass ich mit dem Ballett Zürich die neue Choreografie von Herrn Ratmansky erlernen durfte. Es war einfach nur atemberaubend, als wir am Premierenabend endlich auf der Bühne standen.» Alyssia, 15 Jahre alt, ist Schülerin im Grundstudium der taZ und bekommt zusammen mit anderen Mitschülerinnen und Mitschülern die einmalige Gelegenheit, mit den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich in der aktuellen Inszenierung von «Schwanensee» auf der Bühne des Opernhauses Zürich zu stehen. In dieser Fassung lässt Alexei Ratmansky auch Schwanenkinder agieren. Um die jüngsten Mitwirkenden für seine Choreografie auszusuchen, besuchte er den Ballettunterricht der Jüngeren in der taZ im Toni-Areal etwa drei Monate vor der Premiere. Der international renommierte Choreograf beobachtete die Kinder in ihrem Training genau. Für diese war es eine der ersten Vortanzerfahrung und es galt, nebst dem tänzerischen Können auch Nervenstärke zu zeigen.
32 Fouettés und viele zertanzte Spitzenschuhe
Manch junges Tanztalent träumt davon, vielleicht dereinst die Doppelrolle der Odette (weisser Schwan) und der Odile (schwarzer Schwan) zu tanzen und in einem der Höhepunkte im dritten Akt mit den legendären 32 Fouettés (32 aufeinanderfolgende spezielle Drehungen) das Publikum mit Bravour und Leichtigkeit zu begeistern. Neben den technischen Anforderungen stellt «Schwanensee» aber auch hohe Ansprüche an die schauspielerischen Fähigkeiten der Darstellerinnen und Darsteller.
Für Alyssia und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ist dies noch ein ferner Traum. Die zweistufige Ausbildung zur klassischen Bühnentänzerin der taZ beginnt mit 11 bis 12 Jahren mit dem Grundstudium, das mit der obligatorischen Schulbildung koordiniert ist. Seit sie mit 12 Jahren in die taZ eingetreten sind, verfolgen die jungen Tanztalente mit Beharrlichkeit das Ziel, dereinst auf einer grossen Bühne aufzutreten. Viele Spitzenschuhpaare werden allein in der sechsjährigen Ausbildung vertanzt werden.
Trainingswoche mit dem Ballett Zürich
Nebst den jüngeren Tanzschülerinnen und -schülern wirken auch ältere Studierende der taZ in «Schwanensee» mit. Sie befinden sich im Hauptstudium beziehungsweise stehen kurz vor dem Abschluss ihrer dreijährigen Berufslehre des Bühnentanzes, Vertiefung klassischer Tanz. Die Schülerinnen und Schüler der Absolventenklasse der taZ bekommen jeweils die Gelegenheit, eine Trainingswoche mit dem Ballett Zürich im Opernhaus zu absolvieren. Dieses Jahr wurden ein paar von ihnen von Christian Spuck, dem Ballettdirektor des Opernhauses Zürich, für das Mitwirken in «Schwanensee» ausgewählt. Der aus Italien stammende Schüler Davide zählt zu den Glücklichen: «I think the way the choreographer Ratmansky works, is really efficient and tireless: Every time he organizes and works the steps to get the best production of ‹Swan Lake›. I enjoy a lot being in this choreography. I’m glad to work with the Zurich Company because for me it means that the direction puts trust in me and so I have to work hard to keep the nice result of Ratmansky’s ‹Swan Lake›.»
Die Tanzschülerinnen und -schüler studierten als Ersatz Tanzparts aus dem Corps de ballet (Gruppe im Ballett) ein und werden beispielsweise im Falle einer Verletzung zum Einsatz bei Vorstellungen kommen. Schon im Jahr zuvor wirkten einige Studierende der taZ im Ballett «Giselle» mit und konnten an Vorstellungen ihr Können unter Beweis stellen.
Lernen von gestandenen Tanzprofis
Die Zusammenarbeit mit dem Opernhaus Zürich ist für die taZ ein wichtiger Pfeiler der Ausbildung. Nebst dem jährlichen einwöchigen Trainieren der Absolventinnen und Absolventen mit der Kompagnie, lädt die taZ wiederholt die Ballettmeister des Opernhauses für Trainingswochen ins Toni-Areal ein.
Beide Seiten können voneinander profitieren. Einige Alumni erhielten direkt nach der Ausbildung ein Engagement im Junior Ballett, wie zum Beispiel Lou Spichtig, Patrick Bruppacher, Benoit Favre und Andrei Cozlac. Die Studierenden erleben den Berufsalltag bei Proben, schnuppern Bühnenluft bei Aufführungen und lernen von gestandenen Tanzprofis.
Das Ermöglichen von Bühnenerfahrungen gehört zu den zentralen Bestandteilen der Ausbildung. Die zweimal jährlich stattfindenden Vorstellungsreihen der taZ, die Ballettwerkstatt im Dezember und die «Fussspuren» im Juni/Juli, bieten hierfür einen optimalen Rahmen. Für die jährlich öffentlich stattfindende Aufführungsreihe «Fussspuren» wählt die künstlerische Leiterin Steffi Scherzer gezielt nationale und internationale Gastchoreografinnen und -choreografen aus. Es sind Kapazitäten mit einem Leistungsausweis im klassischen beziehungsweise zeitgenössischen Tanz. Als wichtige Voraussetzung wird zudem ein pädagogisches Gespür im Umgang mit Jugendlichen erwartet, damit diese sich herausgefordert, aber nicht überfordert fühlen. Diese intensive Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Choreografen und ihren persönlichen Stilen wird von den jungen Tänzerinnen als sehr bereichernd, herausfordernd und oft prägend für ihren Werdegang empfunden. Die vielfältigen Erfahrungen, die sie während des Probenprozesses und auf der Bühne machen, lassen die eine oder den anderen staunend über sich hinauswachsen. Die nächste grosse Galavorstellung, «Fussspuren XII», wird dieses Jahr im Stadttheater Schaffhausen und im Opernhaus Zürich dem Publikum präsentiert.
Ballett Zürich
Vorstellungen im Opernhaus Zürich
Fussspuren XII
Tanz Akademie Zürich
Samstag, 25., und Sonntag, 26. Juni 2016, Stadttheater Schaffhausen
Samstag, 2. Juli 2016, Opernhaus Zürich