Sabine Flaschberger, was ist der «König Hirsch»?
Freudanalyticus und sein treuer Schüler Dr. Oedipus Komplex sind die treibenden Kräfte im tragikomischen Märchen «König Hirsch», das 1918 anlässlich der ersten Schweizerischen Werkbundausstellung auf der Zürcher Sechseläutenwiese aufgeführt wurde. Es war Teil des Programms der Marionettenbühne, die als Experimentierfeld künstlerischer Gestaltung diente. Die beiden Autoren René Morax und Werner Wolff überarbeiteten das 1762 von Carlo Gozzi in der Tradition der Commedia dell’Arte verfasste Stück in eine Verwechslungskomödie und Parodie auf die Wirkmacht der Psychoanalyse. Zudem versahen sie es mit einer Portion Zürcher Kolorit. So trifft man sich «im Burghölzliwald», und ein Papagei spricht neben zahllosen anderen Sprachen auch «Züritüütsch und somit auch Dada». Damit schliesst «König Hirsch» nahtlos an die Aktivitäten im Cabaret Voltaire an, in dem die vielseitig begabte Künstlerin Sophie Taeuber (1889–1943) im Rahmen der Zürcher Dada-Szene als Tänzerin auftrat. Seit 1916 unterrichtete sie an der Kunstgewerbeschule textiles Entwerfen und schuf nun im Auftrag des damaligen Schuldirektors Alfred Altherr für «König Hirsch» geometrische Bühnenbilder und Requisiten sowie 17 Figurinen aus gedrechselten Rotationselementen mit maskenhaften Gesichtern.
Heute sind die Originalfigurinen als Teil des Sammlungsbestands des Museum für Gestaltung im Toni-Areal zu bestaunen, während ein Satz Ausstellungskopien um die Welt tourt. Zurzeit kann man ausserdem im Shop des Museums Repliken der Marionetten erwerben.