Daniel Niggli ist einer der Gründer von EM2N, dem Architekturbüro, das die Transformation der Toni-Molkerei in den Campus Toni-Areal konzipiert hat. Ein Jahr nach dem Einzug der ZHdK beantwortet er Fragen rund um seinen und den Gefühlshaushalt der Toni-Arealer und bringt Technisches wie etwa den «Türengau» zur Sprache.

VON ISABELLE VLOEMANS
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Isabelle Vloemans: Wir führen dieses Gespräch aus Anlass des ersten Geburtstags des Campus Toni-Areal – wie oft bewegen Sie sich noch hier?
Daniel Niggli: Etwa alle drei Wochen einmal.

Was machen Sie, wenn Sie hier sind?
Ich besuche Ausstellungen des Museum für Gestaltung oder esse hier zu Mittag, um zu beobachten, was so läuft. Ab und an finden auch noch Sitzungen mit Matthias Schwarz [Verwaltungsdirektor der ZHdK, Anm. d. Red.] und der Allreal statt. Und zurzeit arbeiten wir an einem Farbkonzept für die ZHAW, die in den Korridoren mehr Farbe will. Im Fall der ZHdK kann man das der Kreativität der Studierenden und Dozierenden überlassen, die dabei übrigens ruhig etwas mutiger sein dürften. Doch den Angehörigen der ZHAW liegt das naturgemäss weniger …

Welches emotionale Verhältnis haben Sie heute, wo Sie längst mit anderen Projekten beschäftigt sind, zum Toni-Areal?
Mich freut, dass sich das Haus verändert. Es wird immer lebendiger. An der Ausstellungsstrasse [einer der über dreissig alten Standorte der ZHdK, Anm. d. Red.] hatte ich nie das Gefühl, dass wirklich viel läuft. Hier schon. Das Haus füllt sich zunehmend mit Energie und Arbeit.

Wie lange ist ein Jahr im Leben eines Baus wie diesem?
Ein Jahr ist nichts. Das Haus wird wohl erst komplett «zu sich selbst finden», wenn es nicht mehr mit den alten Orten verglichen wird. Kommende Generationen von Studierenden und Mitarbeitenden werden nur noch das Toni-Areal kennen. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Wahrnehmung des Gebäudes dann verändert.

Mich freut, dass sich das Haus mit Energie füllt.

Lassen Sie uns dennoch schon heute über Gelungenes und Misslungenes sprechen – wo haperts aus Sicht des Architekten noch?
Das Schliesssystem muss sicher angepasst werden. Wegen der vielen gesetzlichen Auflagen sind Türen in Bauten wie dem «Toni» ein überkomplexes System. Um ein Beispiel zu nennen: Viele Türen sind aus feuerpolizeilichen Gründen 1,20 Meter breit. Um auch behindertengerecht zu sein, müssen sie sich automatisch öffnen lassen. In Kombination mit den geforderten Zutrittskontrollen der ZHdK ist die Mechanik jedoch überfordert. Folglich reissen die Leute an den sich nur langsam oder gar nicht öffnenden Türen, was zu vielen Defekten führt.

Was wäre ein Lösungsansatz?
Ein Teil der Probleme könnte gelöst werden, indem der heutige Schliess- und Zutrittsplan lockerer würde. Wäre es nicht sinnvoll, wenn zwischen 8 und 20 Uhr alle Leute in alle Gänge gelangen könnten? Wir persönlich hätten das Haus viel offener gestaltet und mit weniger Kameras ausgestattet. Doch natürlich sind Sicherheitsfragen für die Hochschulleitung eine Gratwanderung.

So viel also zum «Türengau» – wie sieht es mit besonders Gelungenem aus?
Mir scheint, die öffentlichen Orte wie Dachterrasse, Eingangshalle oder Kaskadenhalle funktionieren sehr gut. Ich finde es zudem schön, dass es auch eher versteckte Orte gibt, die man entdecken kann.

Das Creative-City-Fest zur Eröffnung hat gezeigt, was das Toni-Areal leisten kann.

Können Sie uns solch einen Ort nennen?
Beispielsweise die Galerie des Kinofoyers. Gehen Sie mal schauen!

Wie wird sich das «Toni» mit zunehmendem Alter verändern?
Es wird Patina ansetzen, was bedeutet, dass man einige unnötige Hemmungen verlieren wird. Für mich war das Creative-City-Fest zur Eröffnung ein Highlight, das gezeigt hat, was das Toni-Areal leisten kann.

Dieses Gebäude kommt mir wie eine riesige Projektionsfläche vor: Vom Auf und Ab im «Toni» werden der Studienerfolg, die Jobzufriedenheit oder gar die Lebensfreude abhängig gemacht. Und was hier passiert, scheint auch für Aussenstehende interessant. Woran liegt das?
Das Toni-Areal war und ist ein Katalysator für die Fusion zur ZHdK. Insofern fördert das Haus das Gute wie das Schlechte der Institution zutage. Teilweise wäre ein wenig mehr Gelassenheit gut. In der Ära von Facebook und Co. sind wir versucht, immer gleich alles mit «like» oder «dislike» zu bewerten. Doch gewisse Dinge brauchen einfach Zeit.

Bisweilen sind Stimmen zu hören, man könne im «Toni» nichts machen – nichts aufhängen, keine Objekte spontan aufstellen und so weiter. Wie stehen Sie zu solchen Aussagen?
Mit der Architektur hat das wenig zu tun. Hier geht es um einen Aushandlungsprozess zwischen Studierenden, Hausdienst und Schulleitung. Ich meine, etwas mehr Anarchie wäre nicht schlecht!

Die Transparenz im Gebäude wird nicht von allen Toni-Arealern gleichermassen geschätzt – teilweise werden die grossen Fenster zu den Räumen zugehängt oder zugeklebt. Sind wir nicht bereit für so viel Transparenz?
Wir stehen hinter diesem konzeptionellen Leitgedanken. Grundsätzlich gilt: Das Haus ist als ein Möglichkeitsfeld zu verstehen. Die Nutzer können selbst steuern, wie transparent sie sein wollen. Da sind durchaus kreativere und subversivere Ansätze denkbar, als die Fenster einfach zuzukleben. Aber natürlich soll zukleben, wer zukleben will. Auch der Umgang mit der Transparenz wird sich immer wieder ändern.

Das Haus fördert das Gute wie das Schlechte der Institution zutage.

Wechseln wir den Schauplatz: Im Sommer 2016 wird die Hälfte der Hochschule Luzern Design & Kunst in die Viscosistadt in Emmenbrücke in den von Ihnen entworfenen Bau 745 ziehen – wie beeinflussen die Erfahrungen mit dem Toni-Areal dessen Projektierung?
Die Projekte sind sehr unterschiedlich. Die Hochschule Luzern funktioniert ganz anders als die ZHdK. Zudem ist in Luzern der finanzielle Druck derzeit viel grösser, das «Toni» war ein historischer Glücksfall. Es wäre heute in dieser Art vermutlich nicht mehr durch die politischen Instanzen zu bringen. Doch auch der Bau in Luzern wird toll!

Sie wissen dank Ihrer Erfahrungen mit Zürich und Luzern inzwischen einiges über Hochschulbauten: Was gilt es Ihres Erachtens beim Neubau des Zürcher Uniquartiers im Auge zu behalten?
Beim Uniquartier stellen sich vor allem städtebauliche Fragen. Was der Campus Toni-Areal jedoch zeigt: Eine Hochschule kann ein öffentlicher Ort sein. Die entscheidende Frage, die sich in Bezug auf das Uniquartier stellen wird, ist denn auch: Was bringen die Hochschulen der Stadt? Das «Toni» macht der Stadt mit seinen zahllosen Konzerten, Ausstellungen, Partys und so weiter ein sehr attraktives Angebot. Für Zürich-West im Speziellen wirkt es wie ein Vitamindrink.

Isabelle Vloemans war Projektleiterin Hochschulkommunikation .
Dieser Beitrag erschien erstmals in Zett 2–15.
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